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Linke Selbstvergewisserung auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz
Ob es Auswege aus der das Überleben der Menschheit bedrohenden Krise des Kapitalismus gibt und und welche, wurde auf der Tagung erörtert
Ein bisschen ist sie das Warm-up zur Liebknecht-Luxemburg-Demo, zu der alljährlich am zweiten Wochenende im Januar Linke aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin anreisen: die Rosa-Luxemburg-Konferenz, veranstaltet von der Tageszeitung »Junge Welt«. Vollgestopft mit langen Vorträgen, die nur von Spendensammelaufrufen, Grußwortverlesungen und »Manifestationen« unterbrochen werden, und beendet mit einer eher unkontroversen Podiumsdiskussion, ist das Programm nicht unbedingt auf ein jugendliches Publikum zugeschnitten.
Dennoch waren unter den sich in Saal und angrenzenden Räumen mit Bücher-, Shirt- und Accessoire-Verkauf drängenden rund 3000 Besuchern viele sehr junge Menschen. Für sie wie für die Älteren ist die Veranstaltung auch ein Treffpunkt, eine Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vergewissern: Man ist in diesen Zeiten des Rechtsrucks als Linker nicht allein. Oder auch als jemand, der empört ist über den Krieg Israels gegen die Menschen in Gaza. Sehr viele trugen hier die Kufiya um den Hals, auch bekannt als »Palästinensertuch«.
Nebenbei gab es auch ein bemerkenswertes Kulturprogramm mit dem Hannes-Zerbe-Orchester sowie mit dem aus Burkina Faso stammenden Sänger Ezé Wendtoin und dem deutsch-französischen Rapper Mal Élevé.
Thematische Klammer der Vorträge und Debatten war die Gefahr eines neuen Weltkriegs und die auch dadurch noch wachsende Gefahr eines Klimakollaps. Titel der Gesamtveranstaltung: »Das letzte Gefecht – wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang?« Dass er gefährlich ist, darüber dürfte niemand einen Zweifel haben. Dass die Kräfte, die sich der mit dem vermeintlichen Niedergang einhergehenden Zerstörung entgegenstellen könnten, zersplittert und schwach sind, liegt ebenso auf der Hand.
Einigkeit bestand auf der Konferenz darüber, dass »der Westen« und die Nato mit »den USA als Primus enter Pares«, wie es die SPD-Politikerin Petra Erler formulierte, das Hauptproblem seien. In der Ukraine wie auch im Gaza-Krieg. Dass auch Mächte wie Russland und China imperialistisch agieren und dass sich Linke dagegen ebenso wie das Vorgehen der Nato wenden müssten, sprach auf einem Podium mit jungen Gewerkschaftern und anderen Aktivistinnen nur eine Vertreterin der DIDF-Jugend aus (DIDF: Föderation Demokratischer Arbeitervereine, in der sich insbesondere türkischstämmige Menschen organisiert haben).
Erler war Gast auf dem Abschlusspodium unter dem Titel »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Aufrüstung in Deutschland?« Günter Verheugen (SPD), Ex-EU-Kommissar und Lebensgefährte von Erler, hatte aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Zusammen haben beide im vergangenen Jahr ein Buch über die Rolle des Westens bei der Eskalation des russisch-ukrainischen Konflikts (»Der lange Weg zum Krieg«) veröffentlicht.
Erler warnte vor einem neuen Atomkrieg, den heute so mancher Stratege als führ- und gewinnbar darstelle. Die Grundsatzentscheidung über die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026 sei in den USA bereits 2017 gefallen, sagte Erler. Es gehe dabei »um Angriffswaffen, nicht um Verteidigungswaffen«, und die Stationierung habe nichts mit den russischen Raketen in Kaliningrad zu tun. Es gehe den USA schlicht darum, ihre militärische Vorherrschaft aufrechtzuerhalten.
»Es ist unsere Mitschuld, dass das Sterben in der Ukraine andauert«, sagte Erler außerdem. »Der völkerrechtswidrige Angriff auf Teile der Ukraine war die Fortsetzung des seit 2014 andauernden Bruderkriegs«, betonte sie. Dieser hätte aber schon im April 2022 enden können. »Es war der Westen, der den Frieden nicht wollte«, zeigte sich die 66-Jährige überzeugt. Dieser habe es vor der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 »verpasst«, die Herausbildung eines »Beziehungsgeflechts« unter Einschluss Chinas und Russlands zu fördern, »in dem die Menschheit gemeinsam die Lösung der großen Probleme«, also die Sicherung ihres Überlebens, in Angriff hätte nehmen können.
»Es ist ein schwerer Fehler, dass Die Linke im Bundestagswahlkampf, während andere über Kanonen statt Butter sprechen, vor allem über Butter, aber kaum über die Kanonen spricht.«
Ulrike Eifler Mitglied des Linke-Bundesvorstands
Mit Ulrike Eifler war auch ein Mitglied des Linke-Bundesvorstands vertreten. Die Gewerkschaftssekretärin sprach über die Folgen von Aufrüstung und Kriegstüchtigwerdung für die arbeitende Bevölkerung und kritisierte das unentschiedene Auftreten ihrer Partei in der Friedensfrage. Viele in der Linken wollten, dass diese sich »stolz und selbstbewusst in die Friedensbewegung einreiht« und sie auch logistisch unterstütze. Es sei ein »schwerer Fehler«, »dass sie im Bundestagswahlkampf, während andere über Kanonen statt Butter sprechen, vor allem über Butter, aber kaum über die Kanonen« spreche.
Eifler betonte indes auch, dass Die Linke, und das sei der »große qualitative Unterschied« zu den anderen Parteien, sich klar gegen die »Zeitenwende« zu immer mehr Aufrüstung stelle. Es sei zudem verständlich, dass es ein Ringen um die richtige Position gebe, gerade weil jeder in diesen Zeiten auch einem propagandistischen Trommelfeuer ausgesetzt sei.
Dass auch innerhalb der Friedensbewegung heftige Auseinandersetzungen um die Haltung zu Russland und zu Israel toben, ist hinlänglich bekannt. Auch innerhalb der Gruppe Rheinmetall entwaffnen sei sie präsent, sagte ein Aktivist der Initiative in der Debatte. Man sei sich jedoch in einem Punkt einig: Bereits Karl Liebknecht habe vor mehr als 100 Jahren betont, dass der Hauptfeind im eigenen Land stehe. Mithin thematisiere man vor allem die Rolle der deutschen Rüstungskonzerne, für die die aktuellen Kriege ein gigantisches Geschäft seien. Dafür wolle die Initiative ein Bewusstsein schaffen.
Die Rüstungsindustrie und ihre Lobbyisten, das betonte auch Eifler, hätten kein Interesse an der Beendigung von Kriegen, sondern an »Krieg ohne Ende«. Die »Zeitenwende« sei ein »Frontalangriff auf die Interessen der abhängig Beschäftigten« und die Demokratie. Den Arbeitenden werde suggeriert, heute müsse zur »Verteidigung unserer Freiheit« jeder Opfer bringen. Diese Propaganda zeige Wirkung. Mithin sei die Zeitenwende »auch eine Umverteilungsstrategie«. Den Blick dafür in den Gewerkschaften zu schärfen, sei Aufgabe Linker, so Eifler. Die Gewerkschaften seien »unersetzlich für die Friedensbewegung«.
Einen Parforceritt zu den von Künstlicher Intelligenz ausgehenden Gefahren wie auch Chancen in einer von Ausbeutung befreiten Welt bot Dietmar Dath. Der bekennende Kommunist, FAZ-Kulturredakteur und Autor zahlreicher Romane sagte, KI sei nicht nur eine neue Technologie, sondern stelle eine »Neuformierung der Ausbeutung« dar. Ressource der KI seien die von den Nutzern des Internets und der sozialen Medien freiwillig gelieferten Daten. Was zu der Frage führe: »Wollen wir Rohstoff sein oder Menschen?« Mit KI gehe es den sie nutzenden, von autoritären Tech-Milliardären beherrschten Konzernen um »ein Koordinationsmonopol auf das, was wir wissen«.
Zum Auftakt der Konferenz hatte die irische Sozialistin Clare Daly für Begeisterung gesorgt. Bekannt geworden ist sie durch flammende Reden gegen die Militärhilfe des Westens für die Ukraine im Europaparlament, dem sie von 2019 bis 2024 angehörte. Und durch ihre scharfe Verurteilung des israelischen Krieges in Gaza. Den größten Kontrast zu der EU-Propaganda von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten bilde deren Unterstützung der »Barbarei, die in Gaza entfesselt« wurde, sagte sie. Insbesondere die sozialdemokratischen und »grünen« Parteien weltweit »baden im Blut ihrer Komplizenschaft« und ermöglichten erst »den Genozid« mit ihren Waffenlieferungen.
Der Krieg in Gaza, so Daly, sei »ein Testfall für die Menschheit«, für eine Rückkehr in die Barbarei, die schon Rosa Luxemburg beschrieben habe. Nach Ansicht der Politikerin müsste die Arbeiterklasse international den Kampf gegen Krieg und Militarisierung aufnehmen. »Niemand kommt, um uns zu retten«, zitierte Daly indirekt die Internationale, die die Konferenzteilnehmer zum Ende dieser Konferenz sangen. »Wir sind die einzigen Erben von Luxemburg und Liebknecht«, postulierte sie.
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