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Reiselust dank Krisenfrust
Tourismusbranche verbucht Rekordjahr und blickt optimistisch auf 2025
Welche Krise? Die Tourismusbranche freut sich über neue Rekordzahlen. Im Zeitraum Januar bis November 2024 konnten die Beherbergungsbetriebe insgesamt 465,3 Millionen Übernachtungen verbuchen – noch nie waren für die ersten elf Monate eines Jahres so hohe Zahlen gemeldet worden. Zuletzt im November verzeichnete die Urlaubsindustrie in Deutschland ein Plus bei den Gästeübernachtungen von 4,8 Prozent, wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen am Montag mitteilte.
Branchenvertreter erklären die überbordende Reiselust der Deutschen nicht trotz der schwierigen Zeiten, sondern mit ihnen. Die Schwäche der Wirtschaft, Krisen und Kriege in Teilen der Welt beflügelten das Geschäft. »Die täglichen negativen Nachrichten verstärken unserer Einschätzung nach den Wunsch der Verbraucher, mit einer Reise dem Alltag zu entfliehen«, äußerte sich im Vorfeld der Reisemesse »Caravaning – Motor – Touristik« (CMT) ein Vertreter des Veranstalters Alltours.
Die nach eigenen Angaben weltgrößte Publikumsmesse für Tourismus und Freizeit beginnt Ende dieser Woche in Stuttgart. Reisen sei den Deutschen enorm wichtig, wird ein anderer Branchenvertreter zitiert. Die Kunden reisten unabhängig davon, wie die wirtschaftlichen Gegebenheiten im Land seien.
»Der Urlaub wird sogar noch früher als in den Vorjahren gebucht«, freut sich Norbert Fiebig über die ungebremste Reiselaune. Fiebig ist Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) in Berlin. Für die laufende Wintersaison bis April erwartet der DRV eine Steigerung der Ausgaben um 6 Prozent auf 27 Milliarden Euro (Vorjahr: 24 Milliarden Euro).
Mit Blick auf den Sommer zeigt sich die Branche ebenfalls optimistisch: Darauf deutete die hohe Zahl der Vorausbuchungen sowohl bei Veranstalterreisen als auch bei Individualreisen hin. Für den Sommer wird ein Umsatzwachstum von 5 Prozent auf 58 Milliarden Euro erwartet.
Mehr als zwei Drittel aller Urlaubsreisen führen die Deutschen ins Ausland. Bei den Flugpauschalreisen sind weiterhin die traditionellen Urlaubsländer rund ums Mittelmeer gefragt, vornehmlich die Türkei, Griechenland und Spanien – was in einigen Hochburgen zu Protesten der heimischen Bevölkerung führte. So werden sich 2025 in Spanien 100 Millionen Touristen tummeln, in einem Land mit lediglich 48 Millionen Einwohnern.
Immer stärker gefragt sind Hochsee-Kreuzfahrten. Die Auslastung der Schiffe lag im Durchschnitt bei 99 Prozent. Nicht allein in Deutschland, auch international wächst die Flotte und steigen die Passagierzahlen. Mehr als 37 Millionen Gäste erwartet der Cruiseverband Clia weltweit in diesem Jahr – vor Corona waren es weniger als 30 Millionen. Die Deutschen haben mittlerweile die Briten überholt und sind zum Kreuzfahrt-Europameister aufgestiegen. Knapp 3 Millionen werden trotz Kritik von Umweltverbänden und Gewerkschaften in diesem Jahr an Bord gehen.
Allerdings scheinen Krisenzeichen doch nicht ganz spurlos an den Bundesbürgern vorbeizugehen. Die Zahl der Reisenden wird um ein Prozent auf rund 45 Millionen sinken. Zunehmende Sorgen wegen drohender Arbeitslosigkeit und Kostensteigerungen drückten die Konsumlaune und belasteten das frei verfügbare Einkommen, erklärt Fiebig. Das könnte »Auswirkungen auf das Reiseverhalten haben«, befürchtet der DRV-Präsident.
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