- Sport
- Fußball
BVerfG-Urteil: Die Klubs müssen zahlen
Die Deutsche Fußball-Liga verliert im Dauerstreit um die Kosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen auch vor dem Bundesverfassungsgericht
Tarek Brauer war der erste Offizielle, der nach dem für ihn ungünstigen Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor die Mikrofone kam. Er erwarte nun, so der Geschäftsführer von Werder Bremen, dass sein Klub nicht alleine auf den auch künftig zu erwartenden Mehrkosten bei Hochrisikospielen sitzen bleibe. »Unser Budget ist nicht riesig. Ein bis zwei Millionen mehr tun uns weh.« Zudem hätten »die DFL als Co-Veranstalter und der Gastverein ihren Anteil« daran, wenn die Polizei nach brisanten Spielen erhöhte Rechnungen weiterreiche.
Dass die Stadt Bremen nach einem Derby gegen den Hamburger SV die Mehrkosten von 400 000 Euro an Werder weiterreichte, war nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichtes jedenfalls legal. Es sei legitim, »den polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen in Rechnung (zu) stellen«. Dass Bundesligaspiele hochprofitabel sind, wurde in der Urteilsbegründung mehrfach betont.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Zu den bedenkenswerten Punkten in der Argumentationsführung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die zuvor bereits in drei Instanzen erfolglos geklagt hatte, zählte hingegen das Argument, dass die Sicherheit im öffentlichen Raum eine hoheitliche Aufgabe sei, die nicht »privatisiert« werden dürfe. Das ist nicht falsch, schließlich könnte man ansonsten auch die Aufrufer zu einer Großdemo gegen Atomkraft an überbordenden Polizeikosten beteiligen.
Doch natürlich war die Argumentation der DFL vor allem interessengeleitet. Möglichst viel von den fünf Milliarden Umsatz, die sie in der vergangenen Saison erlöste, soll im System bleiben: also vor allem bei den hohen Spielergehältern. Tatsächlich mögen zwei Millionen Euro Werder wehtun, wie Brauer sagte. Doch für weniger als ein bis zwei Millionen Jahresgehalt läuft auch in Bremen kein Stammspieler auf.
Interessant sind auch die ersten Reaktionen aus der kritischen Fanszene, die sich am Dienstag schon mit Pressemitteilungen auf die Seite der Klubs schlugen, als Richter Stephan Harbarth noch nicht einmal ein Drittel der Urteilsbegründung verlesen hatte. »Das Urteil muss fair und gleich auf alle öffentlichen Großveranstaltungen angewendet werden«, fordert Thomas Kessen als Sprecher von »Unsere Kurve (UK)« sarkastisch. »Auch das Münchner Oktoberfest, der Kölner Karneval und die Silvesterpartys am Brandenburger Tor müssen den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden.« Das DFL-Argument, dass die Klubs schon 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben zahlen, wiederholte UK ebenfalls gern.
Auch die fehlende Transparenz bei der Einstufung zu Risikospielen kritisieren Fans und Klubs gleichermaßen. Und tatsächlich ist oft überhaupt nicht ersichtlich, warum die Polizei ein Spiel zum Hochrisikospiel erklärt. Oft geschieht das auf Basis von vermeintlichen Erkenntnissen der sogenannten »Szenekundigen Beamten«, die an den meisten Standorten vieles kennen – nur nicht die »Szene«, die sich jedem Dialog mit den als Spitzeln angesehenen Beamten in Zivil verweigert. In der Saison 2022/23 gab es 52 »Rotspiele« unter den 612 Partien der ersten und zweiten Liga. Menschen, die sich wirklich mit Fankultur auskennen, hätten deutlich weniger ausgerufen.
Einen interessanten Vorschlag machte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer noch im Foyer des Gerichts. »Die Profiliga zahlt in einen Fonds ein, und die Polizeien des Bundes und der Länder werden dann nach dem Aufwand abgerechnet«, so der SPD-Politiker, wohlwissend, dass vor allem die schwarz und schwarz-grün regierten Bundesländer die Kosten bislang nicht an »ihre« Bundesligisten weitergeben wollen. Die Folge: Reiche Klubs wie Borussia Dortmund oder der FC Bayern müssten keinen Cent an Polizei oder Landesregierung überweisen, Werder aber schon – eine weitere krasse Wettbewerbsverzerrung also.
Allerdings weiß auch der Bremer Innensenator, dass die DFL, die ein solches Solidar-Modell bislang abgelehnt hat, ihre Position dafür revidieren müsste. Mäurer erklärte in Karlsruhe, er sei guter Dinge, dass genau das nun geschehen werde. Das jedoch wäre eine weit größere Überraschung als der Richterspruch am Dienstag.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.