»Der Untertan« von oben gefilmt

Schaudepot des Filmmuseums in Potsdam-Babelsberg eröffnet – 700 von mehr als einer Million Objekten werden gezeigt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Der Filmtechnik ist dieser eine Raum des Schaudepots gewidmet, der andere den Szenenbildern.
Der Filmtechnik ist dieser eine Raum des Schaudepots gewidmet, der andere den Szenenbildern.

Das am Freitag in Potsdam-Babelsberg eröffnete Schaudepot des Filmmuseums der Stadt kann nun montags und dienstags von 10 bis 12 Uhr sowie donnerstags von 15 bis 17 Uhr besucht werden. Die dafür notwendigen Eintrittskarten müssen allerdings vorher online gekauft werden. Sechs Euro koste eine, ermäßigt vier Euro. Anders als beim Filmmuseum selbst, das sich in der Potsdamer Innenstadt an der Breiten Straße befindet, gibt es im Babelsberger Depot keinen Ticketschalter. Aber das Foyer kann montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt betreten werden – und von dort aus erlauben Schaufenster immerhin schon einen Einblick in zwei 250 und 100 Quadratmeter große Räume des Schaudepots, zu dem noch ein dritter Raum gehört.

Bereits im Foyer selbst steht ein beeindruckender Sieben-Meter-Kamerakran. Der Lokomotiv- und Waggonbau Babelsberg hat 1950 zwei Stück davon für die benachbarten Filmstudios gefertigt. Benutzt wurde der Kran etwa für die großartige Verfilmung von Heinrich Manns Roman »Der Untertan« (1951) und für den Opernfilm »Zar und Zimmermann« (1956). Noch in den 50er Jahren überließ die Filmgesellschaft Defa den Kran dem DDR-Fernsehen. Das nutzte ihn beispielsweise für Übertragungen von der Friedensfahrt, dem seinerzeit wichtigsten Amateur-Radrennen der Welt, bei dem traditionell Prag, Warschau und Berlin zu den Start- und Zielorten der einzelnen Etappen gehörten. 1990 gelangte der Kamerakran zum Filmmuseum. Hier stand er, der Witterung ausgesetzt, auf dem Hof des alten, in Baracken untergebrachten Depots.

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Die Situation dort an der Pappelallee sei »prekär« gewesen, sagt Susanne Stürmer, Präsidentin der berühmten Babelsberger Filmuniversität »Konrad Wolf«, zu der das Filmmuseum gehört. Deshalb begannen 2018 die Planungen für einen Neubau an der Marlene-Dietrich-Allee 12. Für die Filmuniversität gegenüber wurde 2020 der Grundstein gelegt. Als Michael Fürst am 4. September 2023 nach zwei Tagen als neuer Leiter des Filmmuseums das neue Gebäude aufsuchte, sei es noch fast leer gewesen, erinnert er sich. Inzwischen sind hier mehr als eine Million Stücke der Sammlungen des Museums in je nach Bedarf unterschiedlich klimatisierten Zonen sicher und gut verwahrt. 6000 Quadratmeter stehen insgesamt zur Verfügung. Mit der Eröffnung des Schaudepots als letztem Schritt ist das Vorhaben nun abgeschlossen.

Die Besucher bekommen »echte Schätze zu sehen«, freut sich Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD). »Wer etwas sammelt, der ist glücklich«, zitiert sie Johann Wolfgang von Goethe, der Mineralien und andere Dinge sammelte. Passend zu dieser Bemerkung fordert die Ministerin den Museumsleiter Fürst auf, glücklich dreinzuschauen – und der strahlt postwendend bis über beide Ohren. »Das Schaudepot führt Menschen näher an die Sammlungen heran, als das im Museum möglich ist«, erklärt Fürst, was hier das Besondere sei. 700 Objekte auf so engem Raum zu zeigen, das würde man in einer Ausstellung niemals tun, erläutert er. Am früheren Standort an der Pappelallee habe es übrigens seit 1997 auch schon einen von Gästen begehbaren Bereich gegeben.

»Begeistert und beeindruckt« vom Schaudepot zeigt sich Szenenbildner Matthias Müsse. Wie viele andere Leute vom Film hat er einen »Tunnelblick« für sein spezielles Fachgebiet, wie er sagt. Nun freut er sich, hier einmal verschiedene Sparten dargestellt zu finden. Für das Schaudepot steuerte Müsse unter anderem das Modell einer Grotte bei. Die Grotte wurde gebraucht für eine »Hagen« betitelte Verfilmung der Nibelungensage fürs Kino und als sechsteilige Fernsehserie. In den Jahren 2022 und 2023 angefertigt, ist dieses Exponat das jüngste in dem Teil des Schaudepots, der den Szenenbildern gewidmet ist. Das älteste Stück ist dort eine zur Zeit der ägyptischen Pharaonen passende Kopfbedeckung von 1920 für Regisseur Friedrich Wilhelm Murnaus Streifen »Santana«. Sie sei bereits bei der ersten Ausstellung des Filmmuseums 1983 zu sehen gewesen, sagt die für diesen Bereich zuständige Kuratorin Doris Molitor.

»Das Schaudepot führt Menschen näher an die Sammlungen heran, als das im Museum möglich ist.«

Michael Fürst Museumsleiter

Der größte Raum des Schaudepots stellt Filmtechnik vor. Hier sind kleine und große, sehr alte und neuere Kameras zu finden, ein Kamerawagen mit dicken Reifen, ein historischer Schneidetisch und etliche Projektoren, dazu Tontechnik. In den Regalen aufgereiht ist zusätzlich Fachliteratur von einst bis heute. In einer Ecke finden sich Dinge, die der Filmemacher Werner Nekes (1944–2017) rund um das Thema Sehen und optische Täuschungen zusammentrug.

»Hier geht es um eine einzigartige Sammlung«, schwärmt Kurator Ralf Forster. Er muss aus Zeitgründen ermahnt werden, seine Ausführungen zu den interessanten Details abzukürzen. Denn draußen im Foyer drängen sich bald schon die Gäste der feierlichen Eröffnung des Schaudepots. Teilweise lauschen sie dann durch die geöffnete Tür des Vorraums den Reden. Hinter den wenigen Stuhlreihen stehen muss auch Isabelle Vandré, Vorsitzende der Linksfraktion in der Stadtverordnetenversammlung und Kandidatin bei der Bundestagswahl am 23. Februar. »Die Geschichte des Films ist eng mit Potsdam und mit Babelsberg im Besonderen verbunden«, weiß Vandré.

Am 12. Februar 1912 begannen in einem Atelier die Dreharbeiten für den Stummfilm »Der Totentanz« mit Asta Nielsen in der Hauptrolle. Das ist die Geburtsstunde der Babelsberger Filmstudios. 1921 übernahm die legendär gewordene Ufa das Gelände und errichtete 1929 das erste Tonfilmstudio Europas. Die 1933 beschlossene Entlassung jüdischer Mitarbeiter führte zu einem Aderlass. Berühmte Künstler setzten ihre Karriere deshalb in Hollywood fort. Nach der Befreiung vom Faschismus dann im Mai 1946 ein Neuanfang mit dem ersten großartigen Defa-Film »Die Mörder sind unter uns«. Bis heute werden in Babelsberg Filme und auch Serien gedreht.

»Das Schaudepot ist nicht nur ein weiterer Anker, um diese Geschichte zu bewahren«, meint Isabelle Vandré. Es ergänze auch »perfekt« den Medienstandort Babelsberg zwischen Filmuniversität und Filmpark.

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