Kommandant der PKK: »Krieg und Frieden sind nicht vereinbar«

PKK-Kommandant Murat Karayılan ist offen für Dialog mit der Türkei, warnt aber vor falschen Spielen

  • Jakob Helfrich
  • Lesedauer: 4 Min.
Murat Karayılan, Kommandant der PKK-Guerillaeinheiten, auf einem Archivbild von 2013
Murat Karayılan, Kommandant der PKK-Guerillaeinheiten, auf einem Archivbild von 2013

Einen Aufruf von »historischem Ausmaß« hatte der Vorsitzende der pro-kurdischen Partei DEM, Tuncer Bakırhan, kürzlich angekündigt. Diesen werde der inhaftierte Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, demnächst an die Öffentlichkeit richten. Über den Inhalt wird seitdem in der Türkei heftig spekuliert.

Seit Oktober ist die Diskussion über mögliche neue Gespräche zwischen der in der Türkei verbotenen PKK und der türkischen Regierung ausgebrochen. Zunächst hatte der Chef der nationalistischen MHP, Devlet Bahceli, dazu aufgerufen, Öcalan solle im türkischen Parlament reden und die PKK auflösen. Dann folgte das seit Jahren erste direkte Treffen mit dem seit 1999 Inhaftierten, zunächst mit seinem Neffen, Ende Dezember auch mit einer offiziellen Delegation der DEM. Auch kürzere Nachrichten des 75-Jährigen wurden in der Folge veröffentlicht, in denen er seine grundsätzliche Bereitschaft erklärte, den Weg für Frieden zu ebnen.

Öcalan werde sich am 15. Februar äußern

Die bewaffneten Einheiten der PKK hatten sich bislang nicht ausführlich zu den Entwicklungen geäußert. Dies hatte zu Spekulationen geführt, ob die Guerillaeinheiten der PKK in der Türkei und im Nordirak, wo sich mittlerweile die meisten Kampfhandlungen abspielen, sich überhaupt an Verhandlungen beteiligen würden.

Am Donnerstag äußerte sich der Generalkommandant der Volksverteidigungskräfte HPG, wie die Guerillaeinheiten der PKK genannt werden, Murat Karayılan, im kurdischen Fernsehsender Sterk TV erstmals ausführlich und bestätigte, dass auch er von einem historischen Aufruf Öcalans ausgehe. Dieser werde sich ausgerechnet am 15. Februar zu Wort melden, dem 26. Jahrestag seiner eigenen Festnahme und dem 100. Jahrestag des sogenannten Scheikh-Said-Aufstands, des ersten kurdischen Aufstands gegen die Türkische Republik.

Misstrauen gegenüber der türkischen Regierung

Grundsätzlich stehe man hinter der von Öcalan entwickelten Lösung, allerdings sehe man noch nicht, dass der gesamte türkische Staat sich ebenfalls einer Lösung und dem Frieden verschrieben habe. Auch wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mittlerweile von Frieden spreche, erkenne man in den Handlungen noch immer den Krieg, der weitergeführt werde. Krieg und Frieden seien allerdings nicht vereinbar: »Die kurdische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die bereits viele Male getäuscht worden ist. Unser Volk misstraut der türkischen Staatspolitik. Zuallererst muss Vertrauen geschaffen werden.«

»Unser Volk misstraut der türkischen Staatspolitik. Zuallererst muss Vertrauen geschaffen werden.«

Murat Karayılan Generalkommandant der Volksverteidigungskräfte der PKK

Einer bedingungslosen Entwaffnung der Bewegung erteilte Karayılan eine Absage. Dies sei nicht einfach mit einem Aufruf zu machen. Die zehntausenden Kämpfer*innen unter Waffen müssten davon überzeugt werden, dafür brauche es die freie und dauerhafte Kommunikation zwischen Öcalan und der Bewegung. Für eine Entwaffnung sei ein Kongress der PKK nötig, auf dem auch Öcalan die Möglichkeit haben müsse, in Person oder über Video teilzunehmen. Der letzte Kongress hatte im Jahr 2013, während der bisher letzten Friedensgespräche, stattgefunden.

Lösung muss mit Waffenstillstand beginnen

Um einen solchen Prozess anzustoßen, bedürfe es zuallererst eines beidseitigen Waffenstillstands, auf dem alle weiteren Schritte aufbauen müssten, dazu sei man bereit. Eine grundlegende Lösung der kurdischen Frage bedürfe der Regionalisierung und einer grundlegenden Reform des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Staat, sowie eines Bündnisses des kurdischen und türkischen Volkes; auch andere Gesellschaften würden von solch einer Lösung profitieren. Doch Karayılan erklärte zugleich: »Wir sind auch bereit für den Krieg«, sollte der türkische Staat sich nicht auf eine grundlegende Lösung einlassen.

Wie es nun weitergeht, hängt maßgeblich von der erwarteten Botschaft Öcalans ab. Auch die Haltung der türkischen Regierung wird entscheidend sein. Diese hüllt sich aber, was den Prozess angeht, bislang in Schweigen: Weder Erdoğan noch Bahceli äußerten sich zu den Statements von Karayılan oder auch der Ankündigung des Neffen von Öcalan, der am Wochenende davon sprach, die Nachricht werde in Form einer Videobotschaft erfolgen.

Nationalisten wollen Friedensschluss mit PKK verhindern

Als eine Abkehr vom Kurs, den Bahceli seit Oktober in der kurdischen Frage eingeschlagen hat, ist dies aber nicht zu deuten. Vielmehr haben Bahceli und Erdoğan derzeit bei ihrer Anhängerschaft wenig zu gewinnen, andere nationalistische Parteien kündigen seit Oktober an, Gespräche mit der PKK sabotieren zu wollen.

Die pro-kurdische DEM, bereitet sich derweil auch auf eine zivilgesellschaftliche Offensive vor. In der größten kurdischen Stadt Diyarbakir folgten am Samstag Tausende dem Aufruf der Partei, um ihre Unterstützung für den politischen Prozess zu erklären.

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