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Vergoldete Handtuchheizungen
Mieteraktivist Karlheinz Paskuda über Versuche von Vonovia, über Nebenkosten Profite zu erwirtschaften
Mieterschützer werfen Vonovia vor, »neue Fantasiezuschläge« für Mietererhöhungen zu fordern, die nicht gerechtfertigt und »rechtlich fragwürdig« seien. Dabei geht es wohl um Anschlüsse für die Waschmaschine, Handtuchheizkörper und sogar Jalousien, die längst in den Wohnungen vorhanden seien. Wieso ist Vonovia so dreist?
Der Vonovia-Konzern muss Aktien im Wert von mehr als 822 Millionen Euro mit einer Dividende bestücken. Zudem hat er in den vergangenen Jahren nicht nur hohe Kapitallasten abzutragen, sondern auch hohe Zinskosten. Die Konzernführung streitet finanzielle Engpässe wegen der Übernahme der Deutschen Wohnen zwar ab; dennoch liegt die Vermutung nahe, dass auch hier eine Motivation liegen könnte, besonders drastisch auf Mieterhöhungen zu drängen. Aber ohnehin ist es für einen Dax-Konzern »normal«, ein Optimum an Gewinn für die Aktionär*innen zu erzielen.
Karlheinz Paskuda ist Sprecher der LAG Wohnen der Linken Niedersachsen und seit acht Jahren kritischer Aktionär (mit zwei Vonovia-Aktien). Mit ihm sprach David Bieber.
In Dortmund-Huckarde etwa soll ein Mieter demnach neun Cent pro Quadratmeter mehr zahlen, weil er in einem »bevorzugten Stadtteil« lebe. Der Mietspiegel sieht laut einem Medienbericht für Huckarde aber ausdrücklich keinen Zuschlag vor. Gilt der Mietspiegel nicht für Vonovia?
Ein Gespräch mit dem Mieterverein Dortmund bestätigte, dass hier wohl der Vonovia-Konzern besonders bemüht ist, den Mietspiegel zu seinen Gunsten zu »dehnen«. Es werden Merkmale erfunden wie die Waschmaschine im Bad, die fast lächerlich sind. Und natürlich gilt der Mietspiegel auch für Vonovia. Aber die Strategie ist seit Jahren ähnlich: Mieter*innen, die sich wehren und der Mieterhöhung widersprechen, haben gute Chancen, dass Vonovia einlenkt. Die 95 Prozent, die sich in der Regel nicht wehren, zahlen dann entsprechend mehr.
Mit welchen Tricks versucht der Wohnkonzern noch, Mieter zur Kasse zu bitten?
Vonovia bemüht sich mit einer Vielzahl von Einzelmaßmnahmen, die Nebenkosten zum weiteren »Profitfeld« zu gestalten. Der Konzern spricht im Geschäftsbericht offen von »Value adds«, also zusätzlichen Einnahmen, die im zurückliegenden Jahr mit mehr als 100 Millionen Euro zusätzlichem Gewinn zu Buche schlugen. Der Konzern betreibt kein Outsourcing, sondern im Gegenteil ein Insourcing mit einem Geflecht unzähliger Unterfirmen, die oft nur im Organigramm existieren. Die kritischen Immobilienaktionär*innen gehen davon aus, dass es sich jeweils um von Konzernentscheidungen zu 100 Prozent abhängigen Unterfirmen handelt, die somit keine Zusatzgewinne mit den Nebenkosten machen dürften. Mieter*innen sprechen zunehmend von einer nicht mehr akzeptablen »zweiten Miete«.
Wie können sich Mieter gegen solche Übergriffe wehren? Was raten Sie?
Grundsätzlich ist eine Mitgliedschaft in einem Mieterverein wichtig. Zwar haben nicht alle der mehr als 300 Mietervereine das Thema Vonovia optimal »auf dem Schirm«; aber gerade im Ruhrgebiet und in Berlin gibt es gute Expert*innen. Im Falle von Nebenkostenproblemen sollten sich Nachbarschaften zu »Prüfgemeinschaften« zusammenschließen, denn diese Kosten müssen erst beglichen werden, wenn der Konzern alle Belege ordentlich liefert. Und dann ist es auch sinnvoll, sich in der überörtlichen bundesweiten Initiative No!Vonovia zu organisieren. Denn nicht jede kleine örtliche Initiative muss das Rad des Widerstandes neu erfinden. Der Kontakt zur Initiative No!Vonovia läuft über den Mieterverein Witten in Nordrhein-Westfalen.
Wieso ist es eine legitime Idee, über die Enteignung von Vonovia, die sich erst kürzlich die Deutsche Wohnen einverleibt hatte, nachzudenken?
Vorweg: Wohnen ist ein Grundrecht – Wohnungen gehören nicht an die Börse. Das Geschäftsmodell von Vonovia & Co ist besonders pervers: alte Wohnungsbestände wie von der Bahn oder aus den 50er- bis 70er-Jahren aufkaufen und für die Aktionär*innen die Mieter*innen auspressen. Vergleichbare Wohnungen im kommunalen oder genossenschaftlichen Bestand kosten zirka zwei bis drei Euro pro Quadratmeter weniger, da das Profitinteresse entfällt. Die Instandhaltungsbeträge sind hier auch höher und notwendige Modernisierungen führen in der Regel zu niedrigeren Mieterhöhungen als beim Konzern, der die Modernisierungen hauptsächlich durchführt, um die Mieten steigern zu können. Und Konzerne wie Vonovia und andere schädigen nicht nur ihre eigenen Mieter*innen, was schon schlimm genug ist. Mit dem systematischen Ausreizen der Obergrenzen des Mietspiegels treiben sie diesen nach oben. Sie bereiten somit den Weg für andere kleinere profitorientierte Vermieter*innen, weitere Mieterhöhungen vorzunehmen.
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