Rekordverluste der Euro-Notenbanken

Ein Kanzler Merz könnte auf keine Finanzhilfe der Bundesbank hoffen

Die Bundesbank soll vor allem für stabile Preise und eine stabile Währung sorgen.
Die Bundesbank soll vor allem für stabile Preise und eine stabile Währung sorgen.

Die Deutsche Bundesbank weist zum ersten Mal seit dem Jahr 1979 einen Verlust aus. Das hat ihr Präsident Joachim Nagel bei der Vorlage des Jahresabschlusses am Dienstag in Frankfurt am Main erklärt. Das überraschend hohe Minus von 19,15 Milliarden Euro soll über einen sogenannten Verlustvortrag in die Zukunft verschoben werden. Für den möglichen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist der Rekordverlust angesichts klammer Staatskassen eine schlechte Nachricht: Im Unterschied zu Angela Merkel kann Merz in den kommenden Jahren nicht mit milliardenschweren Überweisungen der Bundesbank rechnen.

Schon vorher hatte die Europäische Zentralbank (EZB), die ebenfalls in Frankfurt angesiedelt ist, einen Rekordverlust gemeldet. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erwirtschaftete sie einen Verlust von 7,94 Milliarden Euro und übertraf damit den Fehlbetrag des Vorjahres noch einmal. Eine Gewinnausschüttung an die nationalen Notenbanken wird es deshalb nicht geben, also auch nicht an die geschwächte Bundesbank.

Erstmals für das Jahr 2020 konnte die Bundesbank keinen Gewinn mehr an den Bund überweisen.

Im vergangenen Jahr hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Milliardenverluste von 2023 noch weitgehend durch die Auflösung einer früher angelegten Risikovorsorge ausgleichen können. Dieser Notgroschen stand jetzt nicht mehr zur Verfügung. Der Fehlbetrag im Jahr 2024 wird daher in der Bilanz verbleiben. Lagarde will ihn in den kommenden Jahren mit künftigen Überschüssen verrechnen. So es sie denn gibt. Die Notenbanker geben sich hierzu optimistisch.

Aber wie kann es zu solch hohen Verlusten kommen? Wie schon im Vorjahr waren die Zinsaufwendungen 2024 höher als die Zinserträge. Dieses Problem geht zurück bis auf die Finanzkrise ab 2007. Bereits im Zuge dieser Finanzkrise und der folgenden Eurokrise hatte die EZB begonnen, Wertpapiere (»Anleihen«) von Staaten, später auch von Unternehmen und Banken zu kaufen, zunächst im kleineren Stil. Zu billionenschweren Käufen kam es ab 2014/15, als EZB-Präsident Mario Draghi, um sein »vorrangiges Mandat« – die Sicherstellung der Preisstabilität – zu erfüllen, eine extreme Nullzinspolitik durch massenhafte Ankäufe von Wertpapieren stützte.

»Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten«, hatte Draghi seinerzeit in einem heute legendären Vortrag gesagt und damit die Finanzmarktakteure ruhig gestellt. »Und glauben Sie mir, es wird genug sein.« Der Italiener betrat damit geldpolitisches Neuland. Seine Maßnahmen waren politisch und wissenschaftlich durchaus umstritten. Linke Ökonomen stützten in der Regel den Draghi-Kurs. In der Spitze kaufte die EZB 2017 Monat für Monat für 60 Milliarden Euro Wertpapiere. Auf die Coronakrise reagierte Draghis Nachfolgerin, die Französin Lagarde, mit weiteren Wertpapierkäufen.

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Mittlerweile werden die Anleihebestände langsam abgebaut. Doch noch immer sitzt die EZB auf einem riesigen Berg niedrig verzinster Wertpapiere. Auf der anderen Seite der Bilanz steht jener Zinssatz, den die EZB an Banken zahlt, die ihre überschüssigen Gelder über Nacht bei der Zentralbank parken. Seit der Zinswende – im Sommer 2022 begann die EZB, ihre Leitzinsen zu erhöhen, um die Inflation in den Griff zu kriegen – erhalten die privaten Banken und Sparkassen weit höhere Zinszahlungen von der EZB, als diese aus ihrem Wertpapierbestand erhält. Die Folge ist ein milliardenschweres Minus.

Da die Euro-Zentrale den größten Teil der Wertpapiere nicht selbst gekauft hat, sondern dies die nationalen Notenbanken taten, laufen dort nun besonders hohe Verluste auf. Das trifft nicht allein die Bundesbank, sondern alle 20 nationalen Notenbanken der Euro-Länder.

Im Unterschied zu privaten Banken ist es nicht das eigentliche Ziel der Euro-Notenbanken, Gewinne zu erwirtschaften. Den jüngsten Fehlschlägen gingen allerdings viele Jahre hoher Gewinne voraus. Seit 1980 hatte die Bundesbank Jahr für Jahr teilweise zweistellige Milliardengewinne gemacht und mit diesen den Bundeshaushalt mitfinanziert. Erstmals für das Jahr 2020 konnte die Bundesbank dann keinen Gewinn mehr an den Bund überweisen.

Pleite ist die Bundesbank jedoch ebenso wenig wie die EZB. Zum einen verfügen sie über erhebliche Reserven an Gold und Devisen, die sie veräußern könnten, zum anderen könnten sie notfalls ihr eigenes Geld »drucken«. Beides lehnen aber Bundesbankboss Nagel wie EZB-Präsidentin Lagarde ab. Es würde die Inflation weiter anheizen, was beide verhindern wollen.

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