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USA: Wie die Diktatur marschiert
Leo Fischer über den antidemokratischen Umsturz in den USA durch Donald Trump & Co.
Es ist eine alte Erkenntnis der Kritischen Theorie, dass die Diktatur sich geistig schon in der Demokratie vorbereitet. Lange, bevor die Willkür zum Gesetz wird, hat sie sich schon des Denkens, der Vorstellung und der gelebten Werte bemächtigt. Inmitten der Demokratie handeln die Menschen bereits so, als gäbe es sie nicht. Man merkt das daran, wie Wenige ihre Rechte kennen, wie Wenige wissen, dass es überhaupt noch Gesetze zu ihren Gunsten gibt, dass nicht einfach so die Mieten erhöht, beliebig Überstunden gefordert werden dürfen. Das Gefühl für diese Rechte ist abwesend; die Alltagskultur treibt es den Leuten aus. In den Medien sehen die Leute jeden Tag aufs Neue, wie die Reichen sich alles erlauben können; bekommen eingehämmert, dass alle einen bösen Chef haben, dem man nun mal gehorchen muss, und lernen Hilflosigkeit als Handlungsstrategie.
Dieses Gefühl erlernter Hilflosigkeit macht die Demokratie so angreifbar. Dort, wo man nicht mehr an sie glaubt, ist ihr Umsturz durch mafiöse Oligarchenbanden nur mehr Formsache. Reihenweise sägen Trump und Musk Behördenchefs ab, zerschlagen Kontrollinstanzen, feuern Staatsanwält*innen. Die lassen den autoritären Umbau des Staates scheinbar widerstandslos zu. Sollte sich das Land je davon erholen – es wird Jahrzehnte brauchen. Die älteste Demokratie der Welt, die von ihren Feind*innen stets als monolithisches, gesichtsloses Bollwerk imaginiert wurde, zeigt sich wehrlos gegen einen dilettantischen Verwaltungsputsch.
Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft
Dass Angst vor der persönlichen Rache eines Präsidenten eine Rolle spielt, der am ersten Tag seiner Amtszeit gewalttätige Neonazis begnadigte, hat sicher damit zu tun. Aber auch Korruption: Der Raubzug der Oligarchen ist zu verlockend, als dass nicht manche*r erwägt, irgendwie daran teilzuhaben. Doch vor allem hat die nahezu kampflos sich ergebende Demokratie etwas damit zu tun, was ihr vom Faschismus erzählt wurde. Die Geschichten vom Widerstand, vor allem vom gelungenen Widerstand, sind in der Minderheit. Es dominieren Geschichten von der Machtlosigkeit und vom unaufhaltsamen Vormarsch des Unrechts. Um des Grusels willen wurde vor allem im Westen eine Geschichte vom Faschismus wiederholt, die seinen Sieg letztlich als unausweichlich darstellt. Die Lektion, die wir alle unbewusst daraus gezogen haben: Wenn der Faschismus kommt, müssen wir es wie gelähmt über uns ergehen lassen.
Das strahlende Gegenbild zu den USA ist derzeit Südkorea, wo sich der scheidende Präsident mit Kriegsrecht durchsetzen wollte und nun vor Gericht steht – durch die Macht des zivilen Ungehorsams. Mitarbeiter des Parlaments blockierten mit Sofas und Feuerlöschern Soldaten, die mit Sturmgewehren und Nachtsichtgeräten bewaffnet waren, und hinderten sie am Zugang zur Nationalversammlung. Eine unbewaffnete Politikerin versuchte einem Soldaten das Gewehr zu entreißen und fragte ihn, ob er sich nicht schäme.
In den USA hingegen treten als höchster Akt des Widerstands die Leute zurück, bevor sie gefeuert werden.
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