Oscars 2025: Der Name Trump fiel nicht

Bei der Oscar-Preisverleihung hielt sich das linksliberale Hollywood eher bedeckt

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 6 Min.
Das ist keine Szene von der Preisverleihung, sondern aus dem Gewinnerfilm »Anora«, mit Mikey Madison als bester Hauptdarstellerin.
Das ist keine Szene von der Preisverleihung, sondern aus dem Gewinnerfilm »Anora«, mit Mikey Madison als bester Hauptdarstellerin.

Wer explizite politische Töne gegen Donald Trump bei der diesjährigen Oscar-Gala erwartet hat, wurde enttäuscht. Das überwiegend linksliberale Hollywood hielt mehr oder weniger brav die Füße still. Der Name des neuen alten US-Präsidenten wurde nicht erwähnt. Erst ganz am Ende der Show am Sonntagabend in Los Angeles ließ sich Moderator Conan O’Brien zu der Bemerkung hinreißen: »Ich denke, die Amerikaner sind begeistert, dass sich endlich jemand gegen einen mächtigen Russen durchsetzt.« Das führte zu großem Applaus. Damit spielte er auf Trumps Haltung gegenüber Putin und den großen Gewinner der 97. Oscar-Verleihung an: den Film »Anora«, der von einer New Yorker Sexarbeiterin erzählt, die sich auf eine Beziehung mit einem russischen Oligarchensohn einlässt und sich von dessen mitunter gewalttätigem Familienanhang nichts bieten lässt.

Die Dramödie, eine Art »Anti-Pretty-Woman«, die von Klassenunterschieden, kapitalistischen Sachzwängen, Migration, männlicher Dominanz und misogyner Gewalt erzählt, hatte schon in Cannes die Goldene Palme gewonnen. Nun erhielt »Anora« den Oscar in der wichtigsten Kategorie: als bester Film. Die 25-jährige Mikey Madison konnte sich außerdem über den Preis als beste Hauptdarstellerin freuen; Sean Baker bekam die Auszeichnung als bester Regisseur und die Oscars für das beste Originaldrehbuch und den besten Schnitt.

Die Filme mit rekordverdächtig vielen Nominierungen, allen voran das Musical »Emilia Pérez«, erhielten weit weniger Preise als erwartet. Zoe Soldana bekam zwar den Oscar als beste Nebendarstellerin, und auch der Titelsong von »Emilia Pérez« erhielt einen Oscar. Aber nachdem vor einigen Wochen bekannt geworden war, dass Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón in der Vergangenheit zahlreiche islamfeindliche und rassistische Kommentare in den sozialen Medien gepostet hatte (unter anderem gegen die Black-Lives-Matter-Bewegung), war klar, dass der Film kaum Oscar-Chancen haben dürfte.

Aus den zehn Nominierungen für das über dreistündige Opus »Der Brutalist« wurden immerhin drei Oscars, wovon Adrien Brody erwartungsgemäß die begehrte Trophäe als bester Hauptdarsteller erhielt. Gegenüber »Variety« erklärte Regisseur Brady Corbet, dass Trump die Zeit zurückdrehen wolle in Richtung der 50er Jahre. Was das politisch vor allem auch für Migranten bedeutet, führt der Film auf verstörende Weise aus. Auch der zehnmal nominierte Vatikan-Thriller »Konklave« des deutschen Regisseurs Edward Berger, der von politischen Ränkespielen bei der Papstwahl erzählt, bekam gerade mal einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch.

Deutsche Erwartungen wurden in diesem Jahr enttäuscht. Lediglich Gerd Nefzer erhielt einen Oscar für die visuellen Effekte in »Dune 2« – sein dritter übrigens; die anderen hatte er für »Blade Runner 2049« und »Dune 1« bekommen. Dagegen ging »Die Saat des heiligen Feigenbaums«, ein politisches Familiendrama, das von Konflikten und Kämpfen im Iran erzählt, dessen deutsche Produzenten sich noch Hoffnungen auf eine Auszeichnung als bester internationaler Film gemacht hatten, leider leer aus.

Diese begehrte Trophäe bekam stattdessen der brasilianische Beitrag »Für immer hier«, der in den deutschen Kinos ab Mitte März zu sehen ist. Der Film inszeniert die reale Geschichte des sozialistischen Politikers Rubens Paiva, der in den 70er Jahren von den regierenden faschistischen Militärs verschleppt und im Foltergefängnis ermordet wurde. Seine Ehefrau nahm daraufhin ein Jurastudium auf und wurde nach der Diktatur zu einer Ikone der Aufklärung der Verbrechen der Militärdiktatur in Brasilien.

Dass dieses unter die Haut gehende antifaschistische Familienopus prämiert wurde, lässt sich natürlich auch als politisches Statement gegen die derzeitige Entwicklung in den USA unter Donald Trump verstehen. Auch wenn Hollywood nicht gerade in politischer Aufbruchstimmung gegen Donald Trumps neues Regime zu sein scheint, gehören mit »Anora« und »Der Brutalist« zumindest weitere explizit politische Filme zu den Gewinnern des Abends.

Der auch hierzulande heiß diskutierte Film »No other Land« wurde als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. In den USA hat der Film über den Konflikt zwischen Dorfbewohnern im Westjordanland und der israelischen Armee, die auf deren Gebiet einen Militärübungsplatz errichtet, keinen Verleiher gefunden und wird nun von den Filmschaffenden selbst vertrieben. Unter Beifall rief der palästinensische Ko-Regisseur Basel Adra dazu auf, die »ethnische Säuberung des palästinensischen Volkes zu stoppen«.

Die in den vergangenen Jahren so oft gestellte Frage, wie »weiß« die Oscars eigentlich sind oder wie unterrepräsentiert nichtweiße Schauspieler und Filmschaffende sind, spielte in diesem Jahr kaum eine Rolle. Die Adaption von Colson Whiteheads mit dem Pulitzer-Preis prämiertem Roman »Nickel Boys« war zwar für zwei Oscars nominiert, ging aber leer aus. Und das, obwohl der außergewöhnliche Film über Rassismus und Missbrauch im amerikanischen Jugendstrafwesen der 60er Jahre in einigen US-Feuilletons geradezu hymnisch besprochen wurde.

Regisseur RaMell Ross setzt dieses bedrückende Buch als nicht ganz einfachen, lyrisch anmutenden Film mit außergewöhnlicher Kameraführung um. Die »New York Times« bezeichnete den 42-jährigen Dokumentarfilmer, der mit »Nickel Boys« seinen ersten Spielfilm vorlegte, kürzlich gar als Regisseur, der den »Akt des Sehens neu erfunden« habe. In Deutschland kommt der in den USA im Dezember angelaufene Film erst gar nicht in die Kinos, ist aber seit vergangener Woche bei Amazon Prime zu sehen. Das erinnert an den rassismuskritischen Film »American Fiction«, der 2024 einen Oscar (bestes adaptiertes Drehbuch) bekam, es aber hierzulande auch nicht ins Kino schaffte.

Große Überraschungen bot die Oscar-Gala dieses Jahr also nicht, nachdem bis vor ein paar Wochen nach den verheerenden Bränden in Los Angeles gar nicht klar war, ob sie überhaupt stattfindet. Unter anderem hatte sich Akademie-Mitglied Stephen King gegen die Gala ausgesprochen. Das Geld dafür solle lieber in Hilfsfonds für Betroffene eingezahlt werden, während andere betonten, dass die Oscar-Show für Charity-Zwecke genutzt werden könne. Insgesamt fiel das Drumherum der Oscar-Verleihung in diesem Jahr aber deutlich kleiner aus. Veranstaltungen im Vorfeld ebenso wie verschiedene Partys wurden abgesagt. Geschätzte 50 Millionen Dollar soll die Zeremonie dennoch gekostet haben.

Dagegen sind die politischen Filme dieses Jahr preisgünstig. Knapp 10 Millionen kostete der dreistündige »Der Brutalist«, »Anora« nur 6 Millionen Dollar. Lediglich Jesse Eisenbergs »Real Pain« über eine Shoah-Bildungsreise nach Polen, wofür Kieran Culkin den Oscar als bester Nebendarsteller erhielt, war mit 3 Millionen Dollar noch günstiger. Das antifaschistische Opus »Für immer hier« kostete gar nur 1,5 Millionen Dollar. Politischer Film muss also nicht teuer sein. Mal sehen, ob zumindest das in Hollywood angekommen ist.

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