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»Surplus«-Magazin: »Lückenfüller« mit Wirtschaftskompetenz
Das Magazin »Surplus« fokussiert sich auf eine Ökonomie jenseits von Aktienindex und Kürzungsdebatten
Es gehört schon eine gehörige Portion Mut und Optimismus dazu, angesichts von Mediendigitalisierung und Zeitungskrise ein gedrucktes Magazin auf den Markt zu bringen. Genau das aber haben die Macher*innen von »Surplus« getan: Am Freitagabend wurde im Berliner Heimathafen Neukölln die erste gedruckte Ausgabe des Wirtschaftsmediums gefeiert, mit einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel »Wege aus dem Wirtschaftschaos«.
Das »Surplus«-Team hatte dazu geballte ökonomische, wirtschaftspolitische und journalistische Kompetenz aufgeboten: seine eigene Führungsriege. Die Runde, von niemand geringerem moderiert als dem Youtuber Tilo Jung (der übrigens auch einige Semester Betriebswirtschaftslehre studiert hat), nahm ausdrücklich Bezug auf die abermalige Regentschaft Donald Trumps in den USA und die Bundestagswahlen vor einer guten Woche. Es hätte keinen aktuelleren Zeitpunkt für diese Debatte geben können, konstatierte denn auch Chefredakteur Lukas Scholle eingangs. Er und die drei Herausgeber*innen nahmen sowohl Wirtschaftslehre wie -politik auseinander und scheuten sich auch nicht vor Forderungen an die nächste Bundesregierung. Isabella Weber, Wirtschaftsprofessorin an der University of Massachusetts Amherst: »Wir sind heute mit den Folgen einer extrem verfehlten Wirtschaftspolitik konfrontiert.« Adam Tooze, britischer Wirtschaftshistoriker und Hochschullehrer: »Die Inflation allein war für den Wahlerfolg der AfD nicht entscheidend.« Maurice Höfgen, Wirtschaftsjournalist auf verschiedenen Kanälen und unter anderem auch »nd«-Autor: »Eine mögliche GroKo muss erreichen, dass der Osten zum Westen aufschließt.« Durch alle Redebeiträge zog sich die Forderung nach einer antifaschistischen Wirtschaftspolitik. Was das bedeutet? »Eine Wirtschaftspolitik, die dem realen sozioökonomischen Abstieg und den Abstiegsängsten vieler Menschen eine Lösung anbietet, die ihr Leben besser macht«, erklären Weber und Scholle den Leser*innen. »Es geht darum, die Ängste direkt anzusprechen und eine konkrete, demokratische Alternative zum Status Quo anzubieten.«
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Solche Aufrufe, auch im Heimathafen vorgebracht, wurden vom überwiegend jungen und offensichtlich zum großen Teil studentischen Publikum mit teils donnerndem Applaus quittiert. Ohnehin hat »Surplus« diese Zielgruppe im Auge. »Unsere Zielgruppe erstreckt sich über alle, die auf der Suche nach neuen Gedanken zu Wirtschaftsthemen sind, die sie bei anderen Wirtschaftsmagazinen nicht finden«, sagt Scholle gegenüber »nd«. »Denn dort geht es meist nur darum, ob Feiertage gestrichen, die Mehrwertsteuer erhöht oder die Rentenzuschüsse gekürzt werden sollen. Wir stellen die Interessen der großen Mehrheit ins Zentrum.«
Dabei ist die am Freitag gelaunchte Druckausgabe – alle zwei Monate soll das modern layoutete Magazin erscheinen – nur die kleinere »Couch-Version« des digitalen »Surplus«. Bereits im Januar ging die Web-Version an den Start und wartete gleich mit reihenweise hochkarätigen Kolumnist*innen wie Thomas Piketty und Mariana Mazzucato und Autorinnen wie Naika Foroutan und Dierk Hirschel auf. »›Surplus‹ ist das Wirtschaftsmagazin, das sich um die Interessen der großen Mehrheit und nicht der Reichsten dreht. Dafür bringen wir weltweit führende ökonomische Denkerinnen und Denker zusammen«, heißt es im Mission Statement von »Surplus«. »Die Herausgeber*innen kamen nach und nach dazu. Sie waren sofort von ›Surplus‹ begeistert. Denn die Lücke im wirtschaftspublizistischen Spektrum war ebenso offensichtlich wie die politische Notwendigkeit, diese zu schließen«, berichtet Chefredakteur Scholle über den Gründungsprozess.
Von Politik über Klima und Finanzen bis zu Wissenschaft deckt „Surplus“ zentrale gesellschaftliche Bereiche ab. Herangehensweise und natürlich Folgerungen aus den Analysen heben sich bei „Surplus“ deutlich von „klassischen“ Wirtschaftsmedien ab, bei denen gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge oftmals ausgeblendet werden. „Wir verstehen Wirtschaft nicht nur als Thema für Börsengurus, Milliardärssöhne und Start-Up-Heinis“, wirbt das „Surplus“-Team.
Die wirtschaftlichen Probleme der Branche, insbesondere der gedruckten Medien, gehen natürlich auch an »Surplus« nicht vorbei. »Wir sind angewiesen auf unsere zahlenden Abonnent*innen«, so Scholle. »Die wirtschaftsjournalistische Lücke war so groß, dass wir unser unterstes Jahresziel bereits erreichen konnten.
Und woher kommt das Gründungskapital? »Wir haben ›Surplus‹ mit wenigen Zehntausend Euro gegründet, die Gegenseite hat Millionen oder gar Milliarden im Rücken«, sagt Lukas Scholle. »Um die Wirtschaftsdebatte aber nachhaltig zu bereichern, sind wir daher auf weitere Unterstützung angewiesen. Heißt, ein Surplus – der Begriff kommt aus der Ökonomie und bedeutet soviel wie Überschuss oder Gewinn – ist ironischerweise auch für die Macher*innen eines alternativen Wirtschaftsmagazins nicht ganz unverzichtbar.
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