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  • Arbeitskampf um TVöD

Krankenhaus-Streik in Berlin: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Beschäftigte der Charité-Tochter CFM kämpfen um Eingliederung in den TVöD

  • Lola Zeller und Peter Nowak
  • Lesedauer: 6 Min.
Lebenswichtig für die Stadt: Die Krankenhausbeschäftigten streiken für bessere Löhne.
Lebenswichtig für die Stadt: Die Krankenhausbeschäftigten streiken für bessere Löhne.

»Seit zwanzig Jahren sind wir die Sparschweine des Senats!« Sascha Kraft vom Betriebsrat der Charité Facility Management (CFM) ist wütend, während er einen Redebeitrag auf der Streikdemonstration der Krankenhausmitarbeiter*innen in Wedding hält. Denn die CFM ist nach wie vor ein Tochterunternehmen des landeseigenen Klinikkonzerns Charité, obwohl unterschiedliche Berliner Senate seit Jahren eine Wiedereingliederung versprechen. Bislang verdienen die Beschäftigten der CFM deutlich weniger als die Charité-Kolleg*innen, die nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) entlohnt werden. Deshalb legten sie am Donnerstag und am Freitag die Arbeit nieder – gemeinsam mit dem nicht-ärztlichen Krankenhauspersonal von Charité und Vivantes, das die Gewerkschaft Verdi im Zuge der bundesweiten Verhandlungen um eine Erhöhung des TVöD zum zweitägigen Warnstreik aufgerufen hatte.

Die Streikdemonstration startete am Donnerstagmorgen mit nach Verdi-Angaben etwa 1500 Teilnehmenden, die Hälfte davon von der CFM, am Charité-Campus Virchow-Klinikum in Wedding. »Dreieinhalbtausend Beschäftigte halten diesen Leuchtturm am Laufen und verdienen 1000 Euro weniger. Das ist ein Skandal«, sagt Betriebsratsmitglied Kraft. Er berichtet den Streikenden, dass sich bei der CFM immer mehr Beschäftigte am Arbeitskampf beteiligen. »Die Mitgliederzahlen gehen steil nach oben und es ist kein Ende in Sicht.« Man werde den Politiker*innen »im Nacken sitzen«, bis das Versprechen der Wiedereingliederung, das auch im aktuellen Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, erfüllt wird.

Die Beschäftigten des Tochterunternehmens sind bei der Charité etwa für Technik, für Transporte von Medikamenten und Proben, für die Reinigung, für das Essen, für die Pflege der Grünanlagen und für mehr verantwortlich. Unter den Streikenden sind Astrid und Kalamjeed, die in der Küche der Charité arbeiten. Ihre Nachnamen wollen die beiden nicht der Öffentlichkeit preisgeben. »Wir machen die gleiche Arbeit wie die anderen auch, aber bekommen 700 Euro weniger«, sagt Kalamjeed zu »nd«.

Die beiden Küchenmitarbeiterinnen sind etwa dafür zuständig, das Essen an die Patient*innen auszugeben und hinterher sauberzumachen. »Wir arbeiten Frühschicht, Spätschicht, samtags, sonntags, wir sind immer da«, sagt Astrid. Sie ärgert sich sehr über die leeren Worte von Politiker*innen. »Vor zwei Jahren war jemand vom Senat bei uns und hat erzählt, dass sie das jetzt alles lösen, aber wir haben nichts davon gesehen. Dann sollen sie lieber gar nicht kommen und gar nichts sagen.« Ihre Kinder wählen deshalb die Linke, sagt die Arbeiterin, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft nicht selbst wählen darf.

Die Linkspartei ist auf der Demonstration derweil mit der Weddinger Bundestagsabgeordneten Stella Merendino auf dem Lautsprecherwagen vertreten, die selbst Krankenpflegerin ist und sich in den vergangenen Jahren stark in die Berliner Krankenhausbewegung eingebracht hat – noch bevor sie sich parteipolitisch engagierte. Auch Sven Meyer und Bettina König aus der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses sprechen zu den Streikenden. Es tut ihnen leid, dass die Wiedereingliederung der CFM noch nicht geschehen ist, und sie versprechen, sich weiterhin in Gesprächen mit dem Senat dafür einzusetzen.

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Ganz praktische Unterstützung erhalten die CFM-Streikenden derweil aus der Zivilgesellschaft: Das Bündnis Berlin steht zusammen, das branchenübergreifend den Arbeitskampf der TVöD-Beschäftigten unterstützt, und das Berliner Bündnis Gesundheit statt Profite haben eine Spendenkampgane für sie ins Leben gerufen. Weil das gewerkschaftliche Streikgeld nicht dem kompletten Lohn entspricht, sollen die Spenden dazu eingesetzt werden, die Streikenden für die Gehaltsausfälle zu kompensieren. Denn gerade im Niedriglohnsektor bestehe sonst die Gefahr, dass die Beschäftigten den Arbeitskampf aufgrund der finanziellen Einbußen nicht weiter aufrechterhalten können. Sogar aus der Nachbarschaft erteilten die Streikenden Unterstützung: Weddinger Initiativen hatten dazu aufgerufen, an der Demonstration teilzunehmen. »Zeigt den Kolleg*innen: Unser Kiez steht hinter ihnen!«, heißt es im Aufruf.

Die Krankenhausbeschäftigten halten untereinander zusammen. Die zahlreichen nach TVöD angestellten Pflegekräfte, Hebammen und Auszubildenden auf der Streikdemonstration rufen die Parole »TVöD für alle an der Spree« lauthals mit, in ihren Redbeiträgen sagen sie immer wieder, dass jegliches Krankenhauspersonal für die Gesundheitsversorgung der Stadt unverzichtbar ist. Auch ein Arzt der Charité hält eine solidarische Rede für seine Kolleg*innen, ohne die er seine Arbeit nicht machen könnte.

Die TVöD-Beschäftigten der Krankenhäuser kämpfen für eine Lohnerhöhung von acht Prozent und mindestens 350 Euro mehr im Monat. Bislang sind zwei Verhandlungsrunden zwischen Verdi und dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) ergebnislos verlaufen – laut Verdi habe der KAV bislang kein konkretes Angebot vorgelegt und sogar eine Nullrunde vorgeschlagen. Bundesweit befanden sich am Donnerstag und am Freitag Krankenhausbeschäftigte im Ausstand, während weitere Warnstreiktage für andere Branchen im öffentlichen Dienst bereits angekündigt sind.

»Dreieinhalbtausend Beschäftigte halten diesen Leuchtturm am Laufen und verdienen 1000 Euro weniger. Das ist ein Skandal!«

Sascha Kraft Betriebsrat der Charité Facility Management

Die Streikenden übergeben zum Abschluss ihrer Demonstration eine Petition mit ihren Forderungen an Carla Eysel, Vorstandsmitglied der Charité und zuständig für Personal und Pflege. »Ich danke Ihnen, dass Sie hier sind, und für Ihre wichtige Arbeit«, sagt sie. Ihrer Ansicht nach habe man auch bei den Auseinandersetzungen in der Vergangenheit immer Lösungen gefunden, die für alle gut seien – die Streikenden sehen das offensichtlich anders und antworten mit Buh-Rufen.

Beim landeseigenen Klinikkonzern Vivantes kam es bereits im Vorfeld des Warnstreiks zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat, die gerichtlich noch nicht abgeschlossen ist. »Heute ist Streiktag. Bei Krankmeldung wird an diesen Tagen ein Attest benötigt« – diese Mitteilungen wurden im Vorfeld des Warnstreiks von Vivantes an die Beschäftigten in verschiedenen Berliner Kliniken per Aushang, Mail und sozialen Netzwerken verbreitet. Bisher war erst ab dem dritten Krankheitstag ein ärztliches Attest nötig.

Der Vivantes-Betriebsrat forderte den Konzern auf, die Anordnung zurückzunehmen. Dabei bezweifelt der Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Kay Glänzel nicht, dass der Konzern schon am ersten Krankheitstag ein Attest verlangen kann. Doch dazu bedürfe es einer Zustimmung des Betriebsrats, weil es sich dabei um die Frage der Ordnung im Betrieb handelt. Da der Betriebsrat aber gar nicht gefragt wurde, sei die Anordnung unrechtmäßig.

Mit dieser Frage muss sich nun das Berliner Arbeitsgericht beschäftigen. Es erließ auf Antrag der Kanzlei Strähle, die den Betriebsrat vertritt, eine Einstweilige Verfügung, die es Vivantes verbietet, an Streiktagen von den Beschäftigten Atteste schon am ersten Tag zu verlangen. Die Anwälte von Vivantes fordern die Rücknahme der Einstweiligen Verfügung. In ihrer Begründung verweisen die Jurist*innen darauf, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats während eines Arbeitskampfs eingeschränkt ist.

Die Vivantes-Anwälte betonen in ihrem Schriftsatz, dass mit der Anordnung eines sofortigen Attests »streikbedingten Arbeitsniederlegungen« vorgebeugt werden soll. »Ein Arbeitgeber muss in der Lage sein, das ›Krankmachen‹ als Arbeitskampfmittel der Arbeitnehmerseite zu verhindern. Hierfür steht ihm allein die Maßnahme zur Verfügung, bereits ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen«, heißt es in dem Schriftsatz. Am 12. März beginnt am Arbeitsgericht eine Anhörung aller Beteiligten. Dann will das Gericht sondieren, ob eine gütliche Einigung zwischen Vivantes und Betriebsrat möglich ist.

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