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Berliner Wirtschaft: Trübe Aussichten
Arbeitgeber warnen vor Wirtschaftsflaute in Berlin und Brandenburg
Optimismus klingt anders: »Alles ist trist und traurig« – so beschreibt Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB), die aktuellen wirtschaftlichen Aussichten. 57 Prozent der im Verband vertretenen Branchen rechnen demnach damit, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtern wird. Von einer stabilen Entwicklung gehen 40 Prozent der Branchen aus. Gerade mal drei Prozent erwarten demnach, dass sich ihre Geschäfte im laufenden Jahr verbessern werden. Das zeigt eine Umfrage, die der Verband unter den 60 im UVB vertretenen Arbeitgeberverbänden durchgeführt hat.
»Das erste Halbjahr 2025 haben eigentlich alle schon abgeschrieben«, sagt Schirp am Mittwoch bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Vor allem die Industrie blickt demnach ausgesprochen pessimistisch auf die kommenden Monate. Nur zwei der zwölf befragten Verbände rechnet nicht damit, dass sich die wirtschaftliche Lage im laufenden Jahr verschlechtert. »Die Industrie steckt in einer tiefen Krise«, sagt Schirp. Die Industrieunternehmen verzichteten wegen der unsicheren Geschäftslage auf Investitionen.
Etwas weniger pessimistisch blickt man im Handwerk auf die wirtschaftliche Entwicklung. »Da ist die Lage nicht ganz so düster«, sagt Schirp. Hier bewertet zwar die Hälfte der befragten Branchen ihre aktuelle Lage als »gut«, allerdings rechnet keine Branche mit einer Verbesserung der Geschäfte. Viele Konsumenten hielten angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation größere Ausgaben zurück. »Da wird der Ausbau der Küche erst mal zurückgestellt«, sagt Schirp. Das zeige sich auch bei der Auftragslage der Unternehmen.
Wirklich optimistisch blickt nur eine Branche in die nähere Zukunft: Die Startup-Wirtschaft rechnet im laufenden Jahr mit steigenden Einnahmen. »Digitalwirtschaft ist gerade der einzige Hoffnungsträger«, sagt Sven Weickert, der zweite UVB-Geschäftsführer. Berlin bleibe »deutsche KI-Hauptstadt«. 30 Prozent der in Deutschland tätigen KI-Startups seien in Berlin ansässig. Bedauerlich sei allerdings, dass der Senat zuletzt die Forschungsförderung bei der Quantentechnik zusammengestrichen habe.
Insgesamt rechnen Arbeitgeber mit einem kaum spürbaren Wachstum in der Region: Jeweils um 0,5 Prozent sollen die Volkswirtschaften in der Hauptstadt und in Brandenburg im Verlauf des Jahres 2025 wachsen. Damit stehen die zwei Bundesländer aber immer noch deutlich besser da als der Rest der Republik. Denn insgesamt soll die bundesdeutsche Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent schrumpfen.
»Wir glauben nicht, dass es für große Sprünge reichen wird.«
Alexander Schirp
Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg
»In Berlin sehen wir eher eine Stagnation und keine Rezession«, sagt Alexander Schirp. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren, in denen Berlin deutlich stärker und oft auch gegen den Bundestrend gewachsen ist, sei das aber immer noch eine schwächelnde Entwicklung. »Wir glauben nicht, dass es für große Sprünge reichen wird«, sagt Schirp. Eine »Lokomotive«, die die restliche Wirtschaft mitziehen könne, fehle. Dafür gehe man davon aus, dass der Arbeitsmarkt stabil bleibe. »Immerhin haben wir noch keine Massenentlassungen«, sagt Schirp. Es könne aber 2025 vermehrt zu Betriebsschließungen auch in der Region kommen.
Wo die Arbeitgeber die Gründe für die wirtschaftliche Flaute sehen, dürfte nicht überraschen: »77 Prozent der befragten Branchen sehen Bürokratie als das größte Problem«, sagt Schirp. Die Unternehmen gäben im Schnitt drei Prozent ihres Umsatzes für Genehmigungsverfahren aus. Zudem dauerten die Verfahren häufig sehr lange. Daher wolle man ein »Normenkontrollpanel« für Berlin – ein Gremium, das Gesetze auf ihre Effizienz prüft.
Auch sonst bedient man sich liberaler Gassenhauer, um die Krise zu erklären: Die Energiepreise seien zu hoch, die Steuern ohnehin und das Sozialsystem setze falsche Anreize. »Wir sollten das Fordern wieder mehr betonen«, sagt Sven Weickert.
Mit einer Einschränkung kommt die UVB-Umfrage allerdings: Sie wurde noch vor den aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen im Bund zwischen CDU und SPD durchgeführt. Das in der vergangenen Woche angekündigte Infrastrukturpaket spielte bei der Einschätzung der Verbände daher keine Rolle. »Ein Infrastruktur-Sondervermögen könnte viel bewirken«, sagt Alexander Schirp. Auch unter den im UVB organisierten Unternehmen könnten nun viele von Staatsaufträgen profitieren. Es bestehe aber die Gefahr, dass »Probleme mit Geld zugeschüttet werden, aber die eigentlichen Sachen aufgeschoben werden«, so Schirp.
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