Woran Merz' Finanzpaket noch scheitern könnte

Die nötige Zweidrittelmehrheit für das Milliarden-Paket ist weder im Parlament noch im Bundesrat garantiert. Ein linkes Bündnis ruft zum Protest auf.

SPD-Chef Lars Klingbeil und CDU-Chef Friedrich Merz wollen am Dienstag ein Milliarden-FInanzpaket durch den alten Bundestag bringen.
SPD-Chef Lars Klingbeil und CDU-Chef Friedrich Merz wollen am Dienstag ein Milliarden-FInanzpaket durch den alten Bundestag bringen.

Friedrich Merz’ zweites Großmanöver in nur wenigen Wochen steht kurz vor der Vollendung: Am Dienstag soll der Bundestag das geplante milliardenschwere Finanzpaket im Bundestag beschließen, das Union, SPD und Grüne ausgehandelt haben. Am Freitag folgt der Bundesrat. Nötig sind jeweils Zweidrittelmehrheiten. Doch es gibt noch ein paar Fallstricke, die Merz dazwischen grätschen und die Vorhaben verhindern könnten. Dann würde auch die Grundlage für die geplante schwarz-rote Koalition mit dem wahrscheinlichen Kanzler Friedrich Merz (CDU) wanken.

»Wenn Politiker davon sprechen, Freiheit und Sicherheit zu verteidigen, meinen sie Freiheit und Sicherheit der Konzerne.«

Linkes Bündnis

Die parteilose Abgeordnete Joana Cotar erhob nach eigenen Angaben zum zweiten Mal Einspruch in Karlsruhe und beantragte, die Abstimmung zu verschieben. Das Verfassungsgericht bestätigte den Eingang. Mit demselben Ziel wollen drei FDP-Abgeordnete einen Eilantrag in Karlsruhe stellen. Sie argumentieren, die Beratungszeit für das Schuldenpaket reiche nicht aus.

Die Verfassungsrichter hatten am Freitag bereits mehrere Anträge verworfen. Einige zielten darauf, die Sondersitzung des alten Bundestages am Dienstag abzusagen. Daneben ging es darum, den geplanten Beschluss des Finanzpakets zu verhindern. Keiner der Anträge hatte Erfolg. Auch Eilanträge gegen die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens blieben erfolglos.

Allerdings waren nach Angaben des Gerichts schon am Freitag drei weitere Organstreitverfahren und vier Verfassungsbeschwerden noch anhängig. Darunter ist eine der Linken, die ebenfalls das stark beschleunigte Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Grundgesetzes moniert.

Union, SPD und Grüne wollen, dass das Grundgesetz an mehreren Stellen geändert wird: Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts – also gemessen am BIP 2024 etwa 43 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber hinaus kann aus Krediten bezahlt werden. Die Länder sollen mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen. Zudem soll im Grundgesetz ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität verankert werden, das von der Schuldenbremse ausgenommen und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gefüttert werden soll.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja will dem schwarz-roten Finanzpaket im Bundestag nicht zustimmen. »Ich habe meiner Fraktion gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass ich dieser Grundgesetzänderung nicht zustimmen kann«, sagte der scheidende Berliner Bundestagsabgeordnete dem Nachrichtenportal »The Pioneer«. Diese sei »nicht generationengerecht, und die Begründungen, die dafür herangezogen werden, sind nicht redlich«.

Im Bundesrat, also der Länderkammer, sind 46 der 69 Stimmen notwendig, um die Grundgesetzänderungen zu beschließen. Landesregierungen, an denen nur CDU, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen auf 41 Stimmen. Mit den sechs Stimmen aus Bayern wäre die Zustimmung sicher. Allerdings zeigten sich die im Freistaat mit der CSU regierenden Freien Wähler zuletzt skeptisch.

Am Montagnachmittag hat sich der Koalitionsausschuss von CSU und Freien Wählern getroffen, um über das Abstimmungsverhalten Bayerns im Bundesrat zu beraten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte aber bereits am Sonntagabend in der ZDF-Sendung »Berlin direkt«: »Gehen Sie mal davon aus, dass Bayern am Ende zustimmen wird.« Die Frage, ob er bereit wäre, für das Finanzpaket seine Regierungskoalition mit den Freien Wählern in München zu opfern, beantwortete Söder nicht.

Unterdessen laufen unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Koalitionsgespräche von Union und SPD im Bund weiter. CDU-Chef Merz erwartet trotz der Einigung auf das Finanzpaket noch schwierige Verhandlungen mit der SPD übers Geld. »Wir werden sparen müssen. Wir werden erhebliche Reformen in diesem Lande durchsetzen müssen«, sagte Merz in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin«. Das sei die wirkliche Bewährungsprobe der Zusammenarbeit von Union und SPD. »Die wirklich schwierigen Gespräche stehen uns allen noch bevor.«

Unter dem Motto »Schluss mit den Kriegskrediten!« ruft ein Bündnis linker Gruppen für Dienstagabend vor dem Bundestag zum Protest gegen das Finanzpaket auf – darunter Die Linke Neukölln, Migrantifa Berlin, Klasse gegen Klasse und Rheinmetall enteignen. In einem offenen Brief des Bündnisses heißt es: »Mit dem gigantischen Aufrüstungsvorhaben drehen sie noch weiter an der gegenseitigen Aufrüstungsspirale, die nur zu noch mehr Krieg und Zerstörung führen wird, um Europa unter deutscher Führung im internationalen Konkurrenzkampf besser zu positionieren.«

Wenn Politiker*innen davon sprächen, Freiheit und Sicherheit zu verteidigen, meinten sie die Freiheit und Sicherheit der Konzerne und Banken, weiterhin Arbeitskraft und Ressourcen in aller Welt auszubeuten, so die linken Gruppen weiter. »Die Freiheit und Sicherheit der Arbeiterinnen, Jugend und Armen kommen dabei unter die Räder, weltweit aber auch in Deutschland selbst.« Mit Agenturen

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