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  • Urteil gegen K.O.M.I.T.E.E.

Bewährung für einst geplanten Sprengstoffanschlag

Das Berliner Kammergericht hat zu einer linken Osterüberraschung von vor 30 Jahren wie erwartet geurteilt

Peter Krauth und Thomas Walter umarmen sich nach der Urteilsverkündung vor dem Berliner Kammergericht.
Peter Krauth und Thomas Walter umarmen sich nach der Urteilsverkündung vor dem Berliner Kammergericht.

Im Prozess gegen die linksradikalen Aktivisten Thomas Walter und Peter Krauth hat das Berliner Kammergericht am Dienstag das Urteil gesprochen. Wie erwartet verhängte der Vorsitzende Richter wegen des vorgeworfenen Sprengstoffanschlags auf eine Gefängnisbaustelle eine zweijährige Gefängnisstrafe auf Bewährung mit einer Frist von drei Jahren. Hierauf hatten sich die Generalbundesanwaltschaft (GBA) und die Verteidiger der beiden, die in Venezuela politisches Asyl erhielten, zuvor geeinigt. Teil dieser Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten waren auch Geständnisse der Angeklagten.

Walter und Krauth sind heute über 60 Jahre alt. Zusammen mit dem 2021 an Krebs verstorbenen Bernhard Heidbreder waren sie sofort nach der Tat am 11. April 1995 untergetaucht, da eine Polizeistreife ihre Vorbereitungen am geplanten Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau entdeckt und den Anschlag so vereitelt hatte.

In dem kurzen Prozess wurde nur an vier Tagen verhandelt – inklusive der Verkündung des Urteils am Dienstag. Tags zuvor wurde noch ein Polizeizeuge gehört. Der heute 49-Jährige fuhr vor 30 Jahren als Praktikant auf Streife mit und sagte zu einem VW Passat und einem Ford Transit aus, die nahe dem Gefängnis in der Osternacht auffällig geparkt waren.

In den Fahrzeugen wurden acht gefüllte Gasflaschen, weitere Flaschen mit einer brennbaren Flüssigkeit und ein Zünder gefunden, der offenbar in einer Smarties-Schachtel verbaut war. Außerdem – nach Schätzung des ehemaligen Polizeipraktikanten – zehn Flugblätter, auf denen sinngemäß stand: »Achtung Sprenggefahr – Das K.O.M.I.T.E.E.«.

Unter demselben Kürzel hatte die Gruppe ein halbes Jahr zuvor einen Brandanschlag auf ein Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde verübt, um damit gegen die deutsche Unterstützung des türkischen Krieges gegen die PKK in Kurdistan zu protestieren. Diese Tat ist jedoch seit 2015 verjährt. Im Fall Berlin-Grünau hat die GBA mit einem juristischen Kniff für die weitere Repression gesorgt: Verfolgt wurde nicht mehr die Vorbereitung oder Durchführung eines vereitelten Anschlages, sondern die Verabredung dazu. Hierfür tritt die Verjährung erst nach 40 Jahren ein.

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Am Montag hat Lukas Theune, der im Prozess Peter Krauth vertrat, dies in seinem Schlussplädoyer gerügt. Denn der Strafrechtsparagraf 30, der die Anstiftung zu einem Verbrechen regelt, wurde 1943 von Adolf Hitler per Erlass zu einem Gesetz gemacht. Stattdessen hätte die GBA auch einen anderen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch für die Verfolgung von Heidbreder, Walter und Krauth nutzen können: die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens. In diesem Falle wäre die Verjährung ebenfalls nach 20 Jahren eingetreten. Theune plädierte für seinen Mandanten deshalb auf Freispruch.

Benjamin Derin, der Verteidiger von Thomas Walter, verwies in seinem Plädoyer ebenfalls auf die juristischen Konstrukte, mit denen die deutsche Justiz die Gruppe drei Jahrzehnte kompromisslos verfolgt hat. Bei anderen Taten mit weitaus höherem Gewicht habe das Kammergericht deutlich weniger »Zielstrebigkeit« bei der Verurteilung gezeigt.

Auf derlei Ausflüge verzichtete die GBA vor Gericht. Das K.O.M.I.T.E.E. sei eindeutig eine terroristische Vereinigung gewesen, so das Plädoyer am Montag. Allerdings erkannte auch der deutsche Chefankläger an, dass die Gruppe niemanden habe verletzen wollen. Weil die Sprengwirkung am Abschiebegefängnis aber erheblich gewesen wäre – Zeugnis davon legte ein am letzten Verhandlungstag gezeigtes Polizeivideo einer Probesprengung ab –, sei kein Freispruch möglich.

Walter und Krauth verzichteten am Montag auf ein Schlusswort. Zwei Stunden später wurden die beiden bei der Asservatenkammer des Landeskriminalamtes vorstellig, um sich einige der vor 30 Jahren in den Fahrzeugen beschlagnahmten persönlichen Gegenstände wieder aushändigen zu lassen.

Nun steht die politische Aufarbeitung der Anschläge an – sowohl das brutale Migrationsregime als auch der Krieg gegen die Kurd*innen sind auch heute noch brennende Themen. Thomas Walter ist dazu schon am Mittwoch auf einer Veranstaltung von Migrantifa in Berlin eingeladen. »Welche Beispiele des praktischen Widerstands gibt es in der Vergangenheit der linken Bewegungen und noch heutzutage?« lautet eine der Fragen des Abends.

Ebenfalls noch unklar: Wofür steht überhaupt die Abkürzung K.O.M.I.T.E.E.? Auch der Richter hatte dies am Montag – als letzte schmunzelnde Frage – wissen wollen. Beide Angeklagte verweigerten die Aussage. Walter werde sich zu einem späteren Zeitpunkt dazu äußern, sagte er gegenüber »nd«.

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