25 Jahre Babyklappe: »Es geht darum, Leben zu retten«

Seit 25 Jahren gibt es Babyklappen. Sie sind noch immer umstritten

  • Carola Große-Wilde
  • Lesedauer: 3 Min.
Sternipark-Geschäftsführerin Leila Moysich an der Babyklappe
Sternipark-Geschäftsführerin Leila Moysich an der Babyklappe

»Babyklappe« steht in großen Buchstaben auf einer Leuchtsäule, daneben ein Schild mit der Aufschrift »Projekt Findelbaby«. Hinter der gläsernen Eingangstür baumelt ein kunterbuntes Mobile mit lustigen Tiermotiven, darunter eine Stahlklappe mit einem Griff. Dahinter befindet sich ein Wärmebett mit Sensor, in das ein Baby unerkannt gelegt werden kann. Ein warmer Anzug mit Strampler und selbstgestrickten Strümpfen und Mützchen liegt bereit, daneben zwei Schnuller und ein Kuschelhase. Auch ein Brief an die Mutter ist zu finden, in der ihr Hilfsmöglichkeiten angeboten werden.

Neben einer Kindertagesstätte in Hamburg-Altona befindet sich Deutschlands erste Babyklappe, die der private Kitaträger Sternipark am 8. April 2000 gründete. »Es geht darum, Leben zu retten. Wenn nur eine Frau den Weg zu uns findet, statt ihr Kind auszusetzen, dann hat sich unsere Arbeit schon gelohnt«, sagt Geschäftsführerin Leila Moysich.

Legt jemand ein Baby in das Wärmebett, wird ein Alarm ausgelöst und Mitarbeiter kümmern sich sofort um das Neugeborene. Anschließend wird das Baby bis zu acht Wochen von Pflegeeltern betreut. Meldet sich die Mutter bis dahin nicht, wird das Kind in Adoptionspflege gegeben. Eine Adoption ist dann frühestens nach einem Jahr mit Genehmigung des Gerichts möglich; Mutter oder Vater haben bis dahin die Möglichkeit, das Kind zu sich zurückzunehmen.

Die Idee entstand 1999, als in Hamburg in kürzester Zeit vier Babys ausgesetzt wurden – zwei konnten nur tot geborgen werden. »Damals überlegten wir uns, wie wir Müttern in Not helfen können«, erzählt Moysich. Seitdem wurden 60 Säuglinge bei den Babyklappen von Sternipark abgegeben; der Verein betreut auch eine Babyklappe in Hamburg-Wilhelmsburg und eine in Satrupholm in Schleswig-Holstein.

»Im ersten Jahr wurden uns sieben Kinder übergeben, mittlerweile sind die Zahlen deutlich zurückgegangen«, sagt Moysich. Pro Jahr sei es ein Baby. Das liege zum einen an der gestiegenen Zahl von Babyklappen, von denen es mittlerweile rund 100 in Deutschland gebe. Zum anderen hätten sich durch Elternzeit, Elterngeld und den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auch die Lebensumstände für Mütter verbessert. »Da hat sich viel getan in Deutschland, sodass es wieder mehr wert ist, Kinder auf die Welt zu bringen«, sagt die 45-Jährige.

Auch die Möglichkeit der vertraulichen Geburt, die es seit 2014 gebe, habe die Situation für Mütter in Notlagen enorm verbessert. Dabei hinterlässt die Mutter ihre persönlichen Daten in einem Umschlag. Das Kind kann diese Daten nach seinem 16. Geburtstag einsehen.

Babyklappen sind nach wie vor umstritten. Im Jahr 2009 empfahl der Ethikrat eine Schließung. Die Angebote anonymer Kindesabgabe seien ethisch und rechtlich sehr problematisch, insbesondere weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzten, hieß es in einer Stellungnahme.

Dieser Auffassung folgt auch der Kinderschutzbund. »Kinder haben ein Grundrecht auf Wissen um ihre Abstammung. Und wenn sie anonym in eine Babyklappe gelegt werden, haben sie keine Möglichkeit mehr, im Nachgang nachzuvollziehen, woher sie eigentlich stammen«, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin, Martina Huxoll-von Ahn.

Für Sternipark ist von Anfang an klar gewesen, dass es neben den Babyklappen auch schon vor der Geburt Hilfsangebote für Mütter in Not geben müsse, sagt Moysich. »Keine Mutter macht es sich leicht, ihr Baby abzugeben.« Deshalb habe Sternipark die Notrufnummer 0800/4560789 ins Leben gerufen und seitdem mehr als 850 anonyme Geburten begleitet – wobei nur 27 Mütter tatsächlich anonym geblieben seien. »Rund 60 Prozent der Mütter haben sich später doch noch für ein Leben mit ihrem Kind entschieden.« dpa/nd

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