Film »Parthenope«: Mal wieder Zeit für Italien-Urlaub

Regisseur Paolo Sorrentino hat ein Faible für Schönheit und ihre Vergänglichkeit. So auch in seinem neuen Film »Parthenope«

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Film wie ein buntes Tuch in leichter Sommerbrise. Schön, aber langweilig.
Ein Film wie ein buntes Tuch in leichter Sommerbrise. Schön, aber langweilig.

Regisseur Paolo Sorrentino ist von Jugend, Schönheit und Vergänglichkeit besessen. Nach dem fellinesksen »La Grande Belezza – die große Schönheit« über einen alternden Journalisten im von Sex und Verfall gezeichneten Rom 2013, der einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt, der Tragikomödie »Ewige Jugend« um zwei Lustgreise und 2021 der in Venedig ausgezeichneten, autobiografischen Netflix-Produktion »Die Hand Gottes« nun also ein Drama über das Leben der bildschönen Neapolitanerin Parthenope.

Wieder einmal so exquisit fotografiert, dass man das Gefühl hat, sich in einem überlangen Werbefilm von Yves Saint Laurent zu befinden, der Newcomerin Celeste Dalla Porta spärliche Kleidung auf den Leib geschneidert hat. Oder vielleicht auch in einem überdimensionierten Werbetrailer für Zigaretten, denn in dem Drama, das 2024 in Cannes seine Premiere feierte, wird fast so viel geraucht wie in den Filmen der Nouvelle Vague.

1950 wird in den glitzernden Wassern der Bucht von Neapel ein wohlhabendes Mädchen geboren und auf den historischen Namen der Stadt getauft. Der hat seinen Ursprung in der Legende, dass es der Sirene Parthenope nicht gelang, den gewieften Odysseus zu bezirzen, weshalb sie sich gemeinsam mit ihren Schwestern ins Meer stürzte und tot in der Bucht von Neapel angeschwemmt wurde.

Wieder einmal so exquisit fotografiert, dass man das Gefühl hat, sich in einem überlangen Werbefilm von Yves Saint Laurent zu befinden.

Als könne der Regisseur es nicht erwarten, seine kurvige Schönheit zu präsentieren, entsteigt kurz darauf bereits die 18-jährige Parthenope – wie die schaumgeborene Venus – den Fluten. Wie ihre Namensvetterin betört sie alle Männer, die ihr – leider bis zum Ende des Films unergründlich bleibendes – Lächeln trifft. Mal räkelt sie sich lasziv und rauchend auf dem Balkon, dann wieder verträumt auf dem Bett oder am Strand. Gelegentlich sogar in Slow Motion!

Sogar ihr Bruder Raimondo (Daniele Rienzo) ist ihr mit Haut und Haaren verfallen, zieht aber neben dem Sohn der Haushälterin vorübergehend den Kürzeren. Der wie alle Figuren unterkomplex gezeichnete Raimondo bringt sich deshalb im Verlaufe des Films um.

Kamerafrau Daria D’Antonio betrachtet Parthenope, die mit ihrer Schönheit alle um den Verstand bringt, ausschließlich mit dem Male Gaze, das heißt, der Blickwinkel simuliert den männlichen Blick, was im Jahre 2025 nur schwer zu ertragen ist. In dem kläglichen Versuch, sich dennoch des naheliegenden Vorwurfs der Objektifizierung zu entledigen, zeigt Sorrentino seine Protagonistin deshalb nie vollständig nackt und dichtet seiner fleischgewordenen Männerfantasie auch noch außerordentliche Klugheit und Schlagfertigkeit an.

So beginnt Parthenope bei dem mürrischen Professor Devota Marotta, der glaubwürdig von Silvio Orlando verkörpert wird, Anthropologie zu studieren und beeindruckt ihn bereits zutiefst bei der Aufnahmeprüfung. Fortan fühlen sie sich ein Leben lang – natürlich rein menschlich-intellektuell – miteinander verbunden. Gegen Ende stellt der Professor ihr noch seinen mit schweren Fehlbildungen geborenen Sohn vor, der an Baron Harkonnen aus »Der Wüstenplanet« erinnert, und um den er sich ein Leben lang gekümmert hat. Parthenope findet ihn natürlich wunderschön – ein weiterer bizarrer Versuch Sorrentinos, seinem oberflächlichen Film Tiefe zu verleihen.

Parthenopes klischeehaftes Faible für problematische Männer bleibt indes keineswegs immer platonisch; so fühlt sie sich im Verlaufe des episodenhaften Films zu dem alkoholkranken Schriftsteller John Cheever hingezogen, der – so gut es eben geht – nuanciert von Gary Oldman verkörpert wird. Cheever widersteht aber ihren Avancen, denn er ist schwul und ohnehin zu melancholisch, um auf ihre sexuellen Reize anzuspringen. Ganz im Gegensatz zum Bischof von Neapel, den Parthenope zu Forschungszwecken aufsucht, um das Blutwunder von San Gennaro zu studieren.

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Der schmierige Bischof schwadroniert über Schönheit und Vergänglichkeit – pseudo-intellektuelle Diskurse durchziehen den gesamten Film. »So eine Frau wie dich gibt es nur selten, die ihre gottgegebene Schönheit nicht ausnutzt«, sabbert der Bischof, um kurz darauf allen Ernstes die wie ein Weihnachtsbaum nur mit christlichem Schmuck behängte Parthenope ausgiebig zu befingern. Widerlich.

Vielleicht hätte Parthenope dann doch besser Schauspielerin werden sollen, was ihr Alternativplan war, der ihr aber von einer durch eine Schönheits-OP entstellten Schauspiellehrerin und einer desillusionierten Diva ausgetrieben wurde.

Nach 137 Minuten Hochglanzsequenzen von der in Sorrentinos Heimatstadt Neapel lustwandelnden Parthenope und ihren Verehrer-Heerscharen erfährt man im Eiltempo, dass die gealterte Schönheit allein geblieben und Professorin für Anthropologie geworden ist. Lange hat einen das Schicksal einer Filmfigur so wenig interessiert. Allenfalls hat man zwischenzeitlich darüber nachgesonnen, ob es nicht mal wieder Zeit für einen Italien-Urlaub wäre.

Einmal sagt der Schriftsteller Cheever zu Parthenope: »Schönheit ist wie der Krieg. Sie öffnet Türen.« Mitnichten, möchte man Sorrentino entgegenhalten: Schönheit ist wie der Frieden. Sie kommt von innen.

»Parthenope«: Frankreich, Italien 2025, Regie: Paolo Sorrentino. Mit: Celeste Dalla Porta, Stefania Sandrelli, Gary Oldman. 137 Minuten, Start: 10. April.

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