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Beim Geld hört der Spaß auf
Mit seinem Rückzieher in der Zollpolitik reagiert US-Präsident Trump auch auf Kritik aus den eigenen Reihen
Ein »Befreiungstag« sollte es werden: Die bombastische Rhetorik, mit der US-Präsident Donald Trump vergangene Woche sein neues Zollregime verkündete, zeigt, dass er seiner protektionistischen Handelspolitik eine hohe Priorität einräumt. Trump und sein Wirtschaftsteam, allen voran sein Handelsberater Peter Navarro, sehen in einer drastischen Erhöhung der Zollbarrieren ein politisches Allheilmittel, mit dem der Staatshaushalt saniert und die Deindustrialisierung vieler Regionen rückgängig gemacht werden soll.
Doch nachdem die Börsenkurse an der Wall Street als Reaktion auf die Ankündigungen kräftig nachgegeben hatten – der Dow Jones stürzte zeitweise um mehr als zehn Prozent ab – ruderte Trump am Mittwoch zurück und ließ die meisten der neuen Zölle für 90 Tage pausieren. Ausgenommen davon bleiben aber die besonders hohen Strafzölle auf Importe aus China, die nochmals deutlich verschärft wurden, sowie die weltweite Basisrate von pauschal 10 Prozent, die in Kraft bleibt. Während es Europa und andere Regionen, etwa Südostasien, damit erst einmal weniger hart trifft als befürchtet, bleibt dennoch im Durchschnitt eine deutliche Erhöhung des US-Zollniveaus – die sich in den USA aller Voraussicht nach in höheren Verbraucherpreisen auf importierte Waren niederschlagen wird.
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Es ist vor allem die Aussicht auf eine steigende Inflation, die in Trumps Republikanischer Partei für Unruhe sorgt. Darüber hinaus sorgen viele Angehörige der US-Mittelschicht über Aktiensparpläne fürs Alter vor – ein kräftiges Minus an der Börse wirkt sich also schneller auf einen größeren Teil der Wähler*innenschaft aus als hierzulande. Trump selbst begründete seinen Rückzieher damit, dass verschiedene Staaten Verhandlungen mit den USA über neue Freihandelsabkommen angeboten hätten. Die Botschaft ist klar: Es geht darum, Druck aufzubauen, um bessere Konditionen für Deals herauszuschlagen. Die Märkte sollen sich bitteschön beruhigen.
Ob damit die Kritik aus dem eigenen Lager verstummen wird, bleibt fraglich. Ungewöhnlich deutlich hatten sich zahlreiche republikanische Kongressmitglieder in den letzten Tagen zu Trumps Zollpolitik geäußert. »Wen kann ich würgen, wenn das hier schiefläuft?«, fuhr Senator Thom Tillis aus North Carolina den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer bei einer Ausschusssitzung am Dienstag entnervt an. Bei den sonst so handzahmen US-Konservativen rumort es kräftig – und Trump erfährt zum ersten Mal in seiner zweiten Amtszeit ernsthaften parteiinternen Widerstand.
Die Republikaner Jeff Hurd und Don Bacon – die als relativ gemäßigt gelten – brachten im Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf ein, der Trump die alleinige Autorität, neue Zölle zu verhängen, nehmen und die Zustimmung des Kongresses dafür zur Vorbedingung machen würde. Ob das Gesetz eine Chance hat, den Kongress zu passieren, darf bezweifelt werden. Der Appetit, Trump ernsthaften politischen Schaden zuzufügen, dürfte sich in seiner eigenen Partei derzeit noch in Grenzen halten. Allerdings würden wenige Abweichler in beiden Kammern des Kongresses ausreichen, um den Gesetzentwurf zusammen mit den Demokraten zu beschließen – Trump würde dann aber wohl sein Veto einlegen.
Auch im weiteren Parteiumfeld der Republikaner sorgt Trumps Handelspolitik für Missmut. Der inzwischen wohl zumindest teilweise in Ungnade gefallene Elon Musk bezeichnete Navarro als »Idioten«, der »dümmer als ein Sack Ziegel« sei. Auch weitere Mitglieder der US-Oligarchenkaste zeigten sich wenig erfreut. Die Lobbyorganisation des republikanischen Großspenders Charles Koch – der allerdings eher nicht als Trump-Verbündeter gilt und dem marktliberalen Flügel der Republikaner nahesteht – kündigte eine Klage gegen die Zollpolitik des Präsidenten an.
Andere US-Konservative äußerten sich zurückhaltender, aber dennoch skeptisch. »Wir wissen nicht, ob die Behandlung am Ende schlimmer wird als die Krankheit«, so der republikanische Senator John Kennedy aus Louisiana. »Für Leute, die Verlässlichkeit schätzen, ist das ziemlich nervenaufreibend«, räumte der Trump-Vertraute Matt Schlapp als Reaktion auf die Kritik aus den eigenen Reihen ein. Denn Trumps jüngster Rückzieher war nicht der erste: Mehrmals hat der US-Präsident inzwischen drakonische Zollerhöhungen angekündigt, nur, um die Pläne wenig später wieder einzudampfen.
Trump erfährt zum ersten Mal in seiner zweiten Amtszeit ernsthaften parteiinternen Widerstand.
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Neben dieser Unstetigkeit ist es vor allem die Pauschalität, mit der der US-Präsident die Welt mit Zöllen überzieht, welche für Nervosität an den Märkten sorgt. Als industriepolitische Maßnahme ist ein solcher Schlingerkurs eher wenig hilfreich, schließlich brauchen Investitionsprojekte Zeit und vorhersehbare Bedingungen.
Gänzlich neu ist Trumps harte Hand in der Handelspolitik indes nicht. Bereits sein demokratischer Vorgänger Joe Biden hatte etwa den Automarkt mit drastischen Zöllen vor chinesischen Importen abgeriegelt. Auch während der neoliberalen Periode griffen US-Präsidenten immer wieder zu diesem Instrument, etwa Ronald Reagan gegen das aufstrebende Japan. Trumps Handelspolitik unterscheidet sich davon jedoch, indem sie alle Staaten der Welt und alle Warenkategorien gleichzeitig ins Visier nimmt – ein T-Shirt aus Bangladesch ebenso wie einen SUV aus Deutschland, obwohl eine Rückkehr der Textilproduktion in die USA mehr als unwahrscheinlich erscheint. Eine durchdachte industriepolitische Strategie lässt sich darin nicht erkennen – wohl aber eine zusätzliche Belastung für die US-Verbraucher*innen.
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