»Boss« Bruce 60
Dass Angela Merkel seine Musik mag, dafür kann er nichts. Barack Obamas Sympathien hingegen erwidert er nachdrücklich. Im Wahlkampf erhob er seine Stimme für den ersehnten »Wechsel«. Als aus der Sehnsucht Wirklichkeit geworden war, lieferte Bruce Springsteen, genannt »The Boss«, die musikalische Untermalung zur Inauguration des neuen US-Präsidenten. Flankiert von einem Ghospelchor sang er seinen Song »The Rising«. Heute wird Springsteen 60 Jahre alt.
Dass der Grat zwischen politischem Engagement und politischer Vereinnahmung zuweilen schmal ist, musste der Vollblut-Rock 'n'-Roller 1984 erleben, als Ronald Reagans Wahlkampfstrategen den Hit »Born in the USA« zu einer Art Ersatz-Nationalhymne umdeuteten. Dabei hätten sie nur auf den Text hören müssen, um zu erfahren, dass Springsteen in seinem vielleicht erfolgreichsten Song die Zerrissenheit eines Vietnam-Veteranen besingt – keine Spur von unreflektiertem Patiotismus.
»Born in the USA« erklang, mit lautstarker Unterstützung des Publikums, auch am 19. Juli 1988, als Springsteen und seine E-Street-Band auf der Radrennbahn Berlin-Weißensee vor 160 000 Fans aus der gesamten DDR spielte. Nie pilgerten mehr Menschen zu einem Springsteen-Konzert als an jenem Tag, da der 5. FDJ-Musiksommer eröffnet wurde. Im anschließenden ND-Konzertbericht wurde der US-Amerikaner für seinen »geradlinigen, kraftvollen Rock 'n' Roll« gelobt, »mit dem er soziale Mißstände und Ungerechtigkeiten in seiner Heimat kompromißlos benennt«. Das ist gewiss richtig. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass viele der damaligen Konzertbesucher auch mit den Missständen im eigenen Land haderten und in Auftritten westlicher Künstler ein Ventil für ihre Sehnsucht nach Weite fanden. Bruce Springsteens Lieder handeln oft vom Unterwegssein, selten vom Ankommen.
Dabei ist Springsteen eigentlich ein bodenständiger Mensch. Bis heute lebt er nahe seines Geburtsortes im US-Bundesstaat New Jersey, wo er in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Trotz seines sagenhaften Erfolgs (120 Millionen verkaufte Platten) wirkt er kein bisschen weltfremd. Er engagiert sich – auf der Bühne, dahinter auch. Seit seinem Durchbruch mit dem Album »Born to Run« im Jahr 1975 gilt er als Stimme des kleinen Mannes, des Arbeiters. Und als Schwerarbeiter zeigt er sich bei all seinen Konzerten. Ein Energiebündel, sich seiner Musik, seiner Band, seinem Publikum hingebend bis zur Erschöpfung.
Mit seinem Album »Working on a Dream« eroberte Springsteen Anfang dieses Jahres die Spitze der Charts. Wer an einem Traum arbeitet, davon ist hoffend auszugehen, denkt keinen Augenblick lang an die näherrückende Rente. mha
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