»Rückkehr zum ›Business as usual‹ ist jedenfalls keine Option«

UNCTAD-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi über Reaktionen des Südens auf die Krise

  • Lesedauer: 4 Min.
Die Entwicklungsländer haben ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut und nehmen nun Kurs auf eine gemeinsame Währungs- und Finanzkooperation. Damit reagieren die Länder des Südens nach Ansicht von Supachai Panitchpakdi, Generalsekretär der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), nicht zuletzt auf die Gefahren, die von den unregulierten internationalen Kapitalströmen ausgehen. Mit Panitchpakdi sprach in New York Thalif Deen (IPS).

ND: Welche Rolle spielt China für die Entwicklung des Handels und der Finanzkooperation zwischen den Ländern des Südens?
Panitchpakdi: China hat in diesem Zusammenhang hohe Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Engere Wirtschaftsverbindungen zu seinen Nachbarländern führten dazu, dass der regionale Handel inzwischen 40 Prozent des Gesamtvolumens erreicht. China ist inzwischen aber auch der wichtigste Handelspartner für andere große Entwicklungsländer außerhalb Asiens, etwa Brasilien und Südafrika.

Welche Bedeutung hat der zunehmende Handel zwischen China und Afrika?
Seit 2000 beträgt die jährliche Zuwachsrate etwa 30 Prozent. Im vergangenen Jahr erreichte der chinesisch-afrikanische Handel ein Volumen von mehr als 100 Milliarden Dollar. China ist inzwischen der größte Handelspartner des Kontinents.

Wie sieht es in Ostasien, in Lateinamerika und auf dem afrikanischen Kontinent mit der Süd-Süd-Kooperation aus?
In Ostasien steht die regionale Wirtschaftsintegration in engem Zusammenhang mit den wachsenden Investitionen. Die wachsenden Netzwerke haben die Auslandsdirektinvestitionen weiter in die Höhe getrieben. Auch in Lateinamerika hat der regionale Handel zugenommen, obgleich die Möglichkeiten eher begrenzt sind. Gehandelt wird dort vor allem mit Agrarerzeugnissen und industriellen Nischenprodukten. In Afrika basiert die Produktion vor allem auf Rohstoffen, und der innerregionale Handel ist bisher kaum entwickelt. Die zunehmenden Geschäfte des Kontinents mit anderen Ländern des Südens haben jedoch die Entwicklungszusammenarbeit gefördert.

In dem neuen Bericht zum Stand der Süd-Süd-Kooperation sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dass der rasche Niedergang der globalen Wirtschaft neue Chancen für die Süd-Süd-Zusammenarbeit geschaffen hat.
Die Entwicklungsländer haben sich selbstverständlich nicht von den Entwicklungen in den Industriestaaten abgekoppelt. Daher leiden viele der am schwächsten entwickelten Länder (LDC) unter den schädlichen Auswirkungen der Krise. Dennoch haben Entwicklungsländer gezeigt, dass ihre Wirtschaft belastbar ist. Vor allem Staaten wie China, Brasilien und Indien konnten aufgrund ihrer gefestigten Finanzlage positiv auf den Schock reagieren. Wie und in welchem Zeiträumen sich die Wirtschaft der Länder erholen kann, ist allerdings eine schwierige Frage. Die Rückkehr zum »Business as usual« – zu unregulierten Finanzmärkten und einer zutiefst ungleichen Einkommensverteilung – ist jedenfalls keine Option.

Es gibt mehrere Vorschläge, wie die Süd-Süd-Kooperation im nächsten Jahrzehnt vorangetrieben werden kann. Diskutiert wird etwa über Freihandelszonen und gemeinsame Währungen. Was davon ist umsetzbar?
Die Kooperationspläne werden von Region zu Region unterschiedlich ausfallen. Man sollte dabei vermeiden, ein gemeinsames Modell für alle finden zu wollen. Solche Vorstöße haben der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahren eher geschadet. Die Süd-Süd-Kooperation ist gerade deshalb eine attraktive Option, weil die beteiligten Länder sensibel auf die Geschichte und die aktuelle Lage ihrer Partnerstaaten reagieren können. Wenn die wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen einzelnen Ländern zunimmt, wird es allerdings auch immer schwieriger, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Freihandelszonen können vielleicht früher realisiert werden als die Einführung einer gemeinsamen Währung.

Welche Rolle spielt UNCTAD bei der Süd-Süd-Kooperation?
UNCTAD fördert seit Langem die Wirtschaftsintegration zwischen den Ländern des Südens. Sie gehörte zu den 15 Leitzielen für den Welthandel, die wir auf unserer ersten Konferenz 1964 festgelegt haben. Einen Höhepunkte erreichte unsere Arbeit in diesem Bereich in den späten 70er und frühen 80er Jahren. Damals entstanden das Globale Handelspräferenzsystem (GSPT), Kooperationen zwischen staatlichen Handelsorganisationen sowie multinationale Marketingunternehmungen. Ein Rückschritt erfolgte nach der Schuldenkrise, als die Entwicklungspolitik neu ausgerichtet werden musste. UNCTAD hat inzwischen aber Neuerungen im Bereich der Wirtschaftszusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern eingeführt. Es geht nicht darum, zu den Themen aus der Vergangenheit zurückzukehren, sondern die Entwicklungspolitik mit Blick in die Zukunft zu gestalten. Auch andere Bereiche des Systems der Vereinten Nationen haben die Süd-Süd-Kooperation mittlerweile in ihre Arbeitsprogramme aufgenommen.


Süden baut Kooperation aus


Die Tendenz zu regionalen Zusammenschlüssen ist weltweit zu beobachten. In Afrika wird zurzeit über einen Staatenbund und einen gemeinsamen Markt diskutiert. Die Länder Südasiens wollen bis Januar 2010 eine Freihandelszone bilden, und der Golf-Kooperationsrat (GCC) erwägt die Einführung einer Gemeinschaftswährung. Lateinamerika plant sogar eine globale Bank des Südens

Seit 1995 ist der Handel zwischen Entwicklungsländern um jährlich 13 Prozent bis auf 2,4 Billionen Dollar 2007 gestiegen. Damit sicherten sich diese Staaten in jenem Jahr einen Anteil von 20 Prozent am gesamten Welthandel

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.