Entwicklungsminister Niebel spielt den Türöffner für deutsche Interessen
Niema Movassat über die erste Dienstreise des Nachfolgers von Heidemarie Wieczorek-Zeul
ND: Die erste Reise des neuen deutschen Entwicklungsministers Dirk Niebel ging nach Ruanda, in die Demokratische Republik Kongo und nach Mosambik. Welche Schwerpunkte setzt Deutschland in diesen Ländern?
Movassat: Vorab: Die drei Länder unterscheiden sich deutlich, auch hinsichtlich ihres Entwicklungsstadiums. Während Ruanda und Mosambik sich in den vergangenen Jahren stabilisiert haben, bleibt die Demokratische Republik Kongo trotz des Friedensvertrags 2002 nach wie vor ein Konfliktherd. Entsprechend unterschiedlich sind die Projekte angelegt. Während in Ruanda ein starker Akzent auf die Unterstützung der Regierung durch die Budgethilfe (ungebundener Haushaltszuschuss, d. Red.) und auf den Ausbau des Gesundheitssystems gelegt wird, steht in Mosambik die Förderung von Mikrokrediten und der Bildung weit oben. In der DR Kongo geht es um Grundlagen: In Goma im Osten Kongos wurde eine Schule mit deutschen Geldern gebaut. Zudem wird dort das Hilfswerk »Heal Afrika« unterstützt, das vergewaltigten und schwer traumatisierten Frauen beisteht.
Die Konflikte in der DR Kongo werden durch den Handel Rohstoffe gegen Waffen befeuert. Die Abnehmer der Rohstoffe wie beispielsweise des Roherzes Coltan für die Handyproduktion liegen im Norden. Wurde diese Problematik thematisiert?
Nur geringfügig. Wir hatten in Kongo ein Gespräch mit einem Koordinator der UNO-Mission in Kongo (MONUC), Christian Manahl. Der hat das Thema Rohstoffhandel problematisiert, auch beim Kurzüberblick der deutschen Botschaft wurde es erwähnt, aber es hat nicht die intensive Rolle gespielt, die das Thema eigentlich spielen müsste. Wie bei so vielen ressourcenreichen Länder fällt vom Reichtum für das Gros der Bevölkerung nichts ab. Hauptprofiteure sind kleine, einheimische Eliten im Verein mit multinationalen Konzernen und Militärs bis hin zu UN-Militärs. So sollen pakistanische Blauhelme am illegalen Goldhandel beteiligt gewesen sein und – schlimmer noch – eine der Bürgerkriegsmilizen mit Waffen ausgestattet haben.
Die Verwicklung deutscher Konzerne wurde nicht thematisiert?
Überhaupt nicht. Bei der Reise ging es um Vorzeigeobjekte, nicht um Verantwortung. Wir haben zwar ein Flüchtlingslager der UNO besucht – eines mit 1500 Flüchtlingen. Die Realität dort dürfte mit der von Flüchtlingslagern, in denen sich 300 000 Menschen befinden, vermutlich wenig zu tun haben. Das sind ganz andere Verhältnisse. Auch hier ist zu vermuten, dass uns, wie so oft auf dieser Reise, eher ein Vorzeigeprojekt als ein repräsentatives Beispiel der Lebensrealität kongolesischer Flüchtlinge gezeigt wurde.
Für Budgethilfe kommt die DR Kongo im Gegensatz zu Ruanda und Mosambik ohnehin noch nicht in Frage. Niebel hat sich vor seiner Afrikareise prinzipiell sehr kritisch gegenüber diesem Instrument geäußert, weil er den Regierungen des Südens misstraut. Wie hat er sich in Afrika dazu verhalten?
Sowohl in Ruanda als auch in Mosambik beruht rund die Hälfte des Staatshaushalts auf Budgethilfe, also auf ungebundenen Zuschüssen seitens der Geberländer. Deutschland selbst ist in Ruanda stärker engagiert als in Mosambik. Niebel ist nach wie vor sehr skeptisch gegenüber der Budgethilfe. Er hat aber durchaus festgestellt, dass in Ruanda mittels Budgethilfe positive Dinge in Sachen Gesundheit und Bildung passieren. Der Regierung von Paul Kagame spricht er einen politischen Wille zur Entwicklung zu. Der ist auch offensichtlich: Wir trafen auf ein sehr selbstbewusstes Parlament, eine selbstbewusste Regierung, die sehr entwicklungsorientiert ist – allerdings mit autoritären Tendenzen, was die Einschränkung von Meinungsfreiheit und der Opposition angeht.
Die Regierung in Mosambik sieht Niebel kritischer. Doch auch in Mosambik gehen rund zwei Drittel des Haushaltes im weiteren Sinne in die Armutsbekämpfung. Auch da kommt die Budgethilfe meines Erachtens bei den Menschen an.
Wie steht die LINKE zum Instrument Budgethilfe?
Grundsätzlich befürworten wir die Budgethilfe. Wir denken, das ist ein gutes Instrument. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass es nicht zum Erpressungsinstrument gegen die Regierungen des Südens eingesetzt wird.
Niebel ist ein offener Verfechter der Entwicklungspolitik als Türöffner für die deutsche Industrie. Welche Wirtschaftsvertreter tummelten sich im Begleittross?
Es waren unter anderem Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) dabei, die aus den Bereichen Rohstoffhandel, Pharmaindustrie und Wasserhandel- und versorgung kommen. Es war schon sehr offensichtlich, worum es da geht. Niebel steht für Entwicklungszusammenarbeit als Türöffner für die deutsche Industrie und deutsche Interessen. Er möchte auf privatwirtschaftliche Initiativen setzen und darauf, dass deutsche Unternehmen aktiv Synergieeffekte nutzen. Und vor allem stellt er die Weichen für sein Steckenpferd: Entwicklung durch Mikrokredite. Mikrokredite sind ja nicht schlecht, doch damit kann bestenfalls Entwicklung für einzelne Menschen initiiert werden, aber keinesfalls für ganze Staaten.
Der Entwicklung des Südens stehen die unfairen Strukturen des Welthandels wie Agrardumping entgegen. War das und die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA mit Afrikas Staatenbündnissen ein Thema?
Das hat kaum eine Rolle gespielt. Dabei ist unstrittig, dass die Frage der Handelspolitik eine der maßgeblichen Fragen für die nachholende Entwicklung ist. Nach wie vor verliert der Süden ein Vielfaches der Höhe der Entwicklungshilfe, weil ihm Märkte im Norden versperrt und seine Märkte durch hochsubventionierte Dumpingprodukte aus dem Norden wie Milchpulver oder Hähnchenschenkel überschwemmt werden. Niebel hat sich zwar gegen die Agrarsubventionen ausgesprochen. Doch um glaubwürdig zu sein, müsste er sich für das sofortige Auslaufen einsetzen. Diese Probe aufs Exempel steht noch aus.
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