Mehr Demokratie im Online-Dialog?

Berliner können per Internet über Familienpolitik diskutieren

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Ruhenstroth-Bauer ist Vorsitzender des Berliner Familienbeirats.
Peter Ruhenstroth-Bauer ist Vorsitzender des Berliner Familienbeirats.

ND: Es läuft der Online-Dialog für Familien. Wie ist die Idee dafür entstanden?
Ruhenstroth-Bauer: Der vom Senat berufene überparteiliche Familienbeirat hat, einzigartig in Deutschland, die Aufgabe, den Berliner Familienbericht zu erarbeiten. Diesen wollen wir Ende des Jahres vorlegen. Dazu werden Expertise und Gutachten benötigt. Wir haben uns entschlossen, die besten Familien-Experten selbst, nämlich die Familien, zu befragen. 2008 haben wir erstmals einen Online-Dialog durchgeführt. 2009 haben wir mit den Familien auf ganztägigen Familienforen in den Bezirken diskutiert. Und jetzt sind wir mit unserem Dialog zum zweiten Mal online unter: www.Zusammenleben-in-Berlin.de.

Wie viele Bürger nehmen an dem Online-Dialog teil?
Bisher wurden über 390 Beiträge verfasst. Auch dieses Jahr scheint sich fortzusetzen, was wir bereits 2008 beobachten konnten: Eine Minderheit diskutiert sehr intensiv miteinander und es gibt eine Mehrheit, die »zuhört«. 2008 haben 318 registrierte Teilnehmer miteinander diskutiert. Die Zahl der Seitenaufrufe lag aber bei 39 000 Seiten. Und bis heute haben über 195 000 Menschen die Diskussion nachgelesen.

Besteht wegen der vielen Teilnehmer nicht die Gefahr, dass der Online-Dialog unübersichtlich wird?
Ich denke nicht. Denn der Dialog ist in verschiedene Phasen unterteilt. Zunächst können die Diskutierenden ihre Themen selbst eingeben. Diese werden dann von den Moderatoren strukturiert. Die Themenbereiche sind wiederum nach den jeweiligen Kiezen sortiert.

Worum geht es dabei?
Diesmal geht es unter dem Motto »Werde Kiezabgeordnete/r!« um das Familienleben in den Kiezen. Wir wollen wissen, was läuft gut und wo gibt es Probleme. So bekommen wir gute Ideen und viele Verbesserungsvorschläge für das Zusammenleben in unserer Stadt.

Was sind die wichtigsten Themen?
Das wird sich während des laufenden Dialogs ergeben. Jeder Beitrag ist uns wichtig, denn er fließt in den Familienbericht ein und kann so auch Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Bereits nach zwei Wochen Laufzeit verzeichnete die Website über 22 000 Artikelaufrufe. Die Themen Bildung und Betreuung führen die Hitliste erwartungsgemäß an, dicht gefolgt von Beiträgen zur Verkehrssicherheit und zum Wohnumfeld.

Können sich auch diejenigen einbringen, die keinen Internetanschluss haben?
Ja. Etwa 55 000 Berliner Familienhaushalte haben vergangene Woche per Post eine Aufforderung erhalten, sich an dem Dialog zu beteiligen. Wer über keinen Internetanschluss verfügt und diesen auch nicht etwa in einer öffentlichen Bibliothek nutzen kann, hat die Möglichkeit, einen Fragebogen auszufüllen und an den Familienbeirat zu senden.

Bildungssenator Jürgen Zöllner hat am Mittwoch für eine Stunde am Online-Dialog teilgenommen. Soll es künftig zu einem regelmäßigen Austausch zwischen Politikern oder Experten und Bürgern kommen?
Ja. Am kommenden Montag wird Professor Haci-Halil Uslucan, der Mitglied im Familienbeirat ist, im Forum zum Dialog bereitstehen. Er ist Experte für Pädagogik und ein kompetenter Ansprechpartner für Familien mit Zuwanderungsgeschichte. Zudem werden in den kommenden Wochen auch die familienpolitischen Sprecherinnen der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien am Online-Dialog teilnehmen.

Der Familiendialog läuft bis 17. Mai. Kann er danach wieder aufgenommen werden?
Ob er sich etabliert, hängt auch davon ab, inwieweit die Politik die Anregungen der Bürger dann auch umsetzt. Wir haben jedenfalls damit einen Schritt in Richtung bürgernaher Online-Demokratie gemacht. Ich bin zuversichtlich, dass der Online-Dialog fortgesetzt werden kann.

Interview: Aert van Riel

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.