Keine Langeweile in Leverkusen
SPD und Grüne stimmen über Koalitionsvertrag ab, LINKE sucht ihre Rolle in der Opposition
Am Dienstag stellten sie den rot-grünen Koalitionsvertrag vor, am Samstag stellen sie sich ihrer Parteibasis: Hannelore Kraft, designierte Ministerpräsidentin und ihre grüne Stellvertreterin Sylvia Löhrmann. Auf ihren Parteitagen in Köln und Neuss entscheiden Sozialdemokraten und Grüne, ob sie die Verhandlungsergebnisse akzeptabel finden.
Der Vertrag ist mit heißer Nadel gestrickt, kam er doch in der »Rekordzeit« (Kraft) von 15 Tagen zu Stande. Er lässt viel Interpretationsspielraum offen. Studiengebühren sollen abgeschafft werden – unklar ist, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Gegenfinanzierung. Was die Bereiche Klima- und Energiepolitik betrifft, so versuchen Vertreter von Umweltverbänden, zwischen den Zeilen zu lesen. Zudem ist offiziell nicht bekannt, welche Genossen Kraft in Ministerämter berufen wird (siehe linke Randspalte).
Aller Konsensmilch zum Trotze, die der Öffentlichkeit in den letzten Tagen eingeschenkt wurde, haben die Grünen durchaus Kröten schlucken müssen: So bleibt der Neubau von Kohlekraftwerken möglich. Auch die Klimaschutzziele dürften vielen Grünen als nicht hinreichend ambitioniert gelten. Nicht zuletzt aber besetzt die SPD alle Schlüsselressorts in der künftigen Regierung, was die realen Kräfteverhältnisse beider Parteien nicht widerspiegelt.
Dennoch werden beide Parteitage wohl tunlichst vermeiden, allzu viele Fragen aufzuwerfen oder gar den Kompromiss selbst in Frage zu stellen. SPD und Grüne – füreinander sind sie Wunschpartner. Gemeinsam beenden sie das nur fünf Jahre währende Intermezzo von Schwarz-Gelb. Und kehren zurück an die Fleischtöpfe der Macht, wo sie bereits in den Jahren 1995 bis 2005 gemeinsam schmausten.
Spannender zugehen dürfte es auf dem Parteitag der NRW-LINKEN in Leverkusen, wo die Wahl eines neuen Landesvorsitzenden auf der Tagesordnung steht. Amtsinhaber Wolfgang Zimmermann will sich auf seine Arbeit als Vorsitzender der Landtagsfraktion konzentrieren. Ihm nachfolgen wollen – gegeneinander kandidierend – Paul Schäfer und Hubertus Zdebel. Schäfer war lange Chef der NRW-PDS und plädiert, der Mehrheitsmeinung im Landesverband zuwider, für ein stärkeres, gleichwohl forderndes Zugehen auf Rot-Grün. Der verteidigungspolitische Sprecher der LINKEN-Bundestagsfraktion enthielt sich, wie 24 weitere LINKE-Abgeordnete, unlängst bei einer Bundestagsabstimmung über die Verlängerung des Sudan-Bundeswehreinsatzes der Stimme. Der Landesvorstand missbilligte das »aufs Schärfste«.
Hubertus Zdebels Kandidatur gilt als die aussichtsreichere. »Hubi« ist einer der beiden Koordinatoren des Landtagswahlkampfes. Er kommt von den Grünen und wird keiner parteiinternen Strömung zugerechnet. Zdebel warnt davor, »Inhalte durch angebliche Sachzwänge weich zu spülen und schließlich aufzugeben«. SPD und Grüne pflegt er zu kritisieren, denn sie seien »dominiert von neoliberalen Dogmen«. Damit liegt Zdebel stärker als Schäfer auf der Linie des Landesverbandes.
Heftigster Konfliktpunkt wird das Abstimmungsverhalten bei der Ministerpräsidenten-Wahl am kommenden Mittwoch sein: Soll die LINKE-Fraktion für Hannelore Kraft stimmen – oder sich enthalten? In beiden Fällen würde Kraft zur Ministerpräsidentin gewählt. Doch eine Zustimmung wird von deren Befürwortern als Machtdemonstration bewertet, als klares Signal an SPD und Grüne: Seht her, wir stehen bereit, aber nur dann, wenn ihr tatsächlich einen Politikwechsel anstrebt. Diejenigen, die für eine Stimmenthaltung plädieren, führen ins Feld, dass die Inhalte des rot-grünen Koalitionsvertrages für die LINKE nicht akzeptabel seien. Die Fronten, so ist zu hören, verlaufen quer zu den Strömungen.
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