Herr Wagner, wie war das mit der Revolution?

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Am Sonntag beginnen die Wagner-Festspiele in Bayreuth; sie sind neben Salzburg das weltweit wichtigste Musikfestival. Schon 1850 skizzierte Richard Wagner (1813–1883), gegen den zeitgenössischen Theaterbetrieb, seine Festspielidee. 1876 hob sich erstmals der Vorhang fürs Wagner-Fest. Fotos: dpa, Archiv
Am Sonntag beginnen die Wagner-Festspiele in Bayreuth; sie sind neben Salzburg das weltweit wichtigste Musikfestival. Schon 1850 skizzierte Richard Wagner (1813–1883), gegen den zeitgenössischen Theaterbetrieb, seine Festspielidee. 1876 hob sich erstmals der Vorhang fürs Wagner-Fest. Fotos: dpa, Archiv

ND: Richard Wagner, lassen Sie uns ein wenig über die 48er Revolution reden. Sie hatten Feuerbach gelesen.
Wagner: Hieraus entsprang eine gewisse leidenschaftliche Verwirrung, welche sich als Voreiligkeit und Undeutlichkeit im Gebrauche philosophischer Schemata kundgab.

Sie waren Dresdens Königlicher Kapellmeister, unterschrieben Aufrufe, forderten ...
... statt Reden Taten, und zwar solche Taten, durch welche unsere Fürsten unwiderruflich mit ihren alten, dem deutschen Gemeinwesen so hinderlichen Tendenzen brechen sollten.

Hui, klingt entschlossen.
Nicht selten steht der Mensch im Banne einer Leidenschaft, die er zugleich für vernünftig hält, und wenn die Wogen dieser Leidenschaft sich glätten, schaut er wie in einen Spiegel, der das Gesicht des Irrtums offenbart.

Gekämpft haben Sie nicht, Ihre Sache war die gut abgesicherte Debatte, in die kein Pulverdampf drang. Um so emphatischer der Ton. Können Sie noch zitieren?
»Ja, wir erkennen es, die alte Welt, sie geht in Trümmer, eine neue wird aus ihr entstehen, denn die erhabene Göttin Revolution, sie kommt daher gebraust auf den Flügeln der Stürme, das hehre Haupt von Blitzen umstrahlt, das Schwert in der Rechten, die Fackel in der Linken, das Auge so finster, so strafend, so kalt, und doch, welche Glut der reinsten Liebe, welche Fülle des Glückes strahlt Dem daraus entgegen, der es wagt, mit festem Blick …«

Darf ich Sie unterbrechen: Das ist der hohe Ton, der früher oder später ins Krächzen kommt.
Die Heiligkeit ist nie entfernt vom scharfen Schwert des Richtertums, das schnell vergisst, was wahre Gerechtigkeit wäre.

Sie lernten den russischen Anarchisten Bakunin kennen.
Alles war an ihm kolossal, mit einer auf primitive Frische deutenden Wucht. Ich habe nie den Eindruck von ihm empfangen, als ob er besonders viel auf meine Bekanntschaft gäbe, da ihm im Grunde auf geistig begabte Menschen nicht viel mehr anzukommen schien, wogegen er einzig rücksichtslos tatkräftige Naturen verlangte.

Bakunin ist Heide – und Sie schreiben provokativ an einer Tragödie, Titel »Jesus von Nazareth«.
Bakunin bat mich, ihn mit der Bekanntschaft damit zu verschonen.

Er wünschte Ihnen Glück.
Bat mich aber völlig inständig, Jesus jedenfalls als schwach erscheinen zu lassen. Im Betreff der Musik riet er mir in allen Variationen die Composition nur eines Textes an: Der Tenor solle singen »köpfet ihn«, der Sopran: »hängt ihn«, und der Basso continuo »Feuer, Feuer«.

Stand die Revolution letztlich konträr zu Ihrem Kulturempfinden?
Ich hatte die Revolution erlebt und erkannt, mit welch unglaublicher Verachtung unsere öffentliche Kunst und deren Institution von ihr angesehen wurden, so dass bei vollkommenem Siege namentlich der sozialen Revolution eine gänzliche Zerstörung jener Institute in Aussicht stehen würde.

Die zu Hilfe gerufenen Preußen räumten auf unter den sächsischen Revoluzzern, sie waren – wenn's mal so ausgedrückt werden darff – flugs nach Zürich abgehauen. Und dann kam eine tiefe Reuebekundung. Ja, Sie ziehen das Papier schon hervor – darf ich Sie um Zitat bitten?«
» … bereue ich tief und beklage aufrichtig, durch dieses Verhalten mich im Lichte des übelsten Undankes gegen meinen erhabenen Wohltäter, den Allerhöchstenseligen König Friedrich August, gezeigt zu haben … Dagegen verspreche ich auch fest und förmlich, nie und in keiner Weise mit irgend welcher politischen Thätigkeit mich wieder befassen zu wollen und unterziehe mich deshalb gern jeder nöthig dünkenden Überwachung.«

Mmh.
Ich glaubte an die Revolution. Es ist nicht nötig, hier des Hohnes zu gedenken, welche meine kühne Anmaßung mir zuzog.

Die Entschuldigung ist auch nicht ohne. Die Anpassung als Menschenrecht.
Rede doch derjenige groß, der das Leben nicht zum Leben braucht, sondern nur als Kulisse für seinen unwandelbaren festen Geist. Ich bin ein Verkoster der Bedingungen, die meinem Gemüte dienen.

Eigentlich wollten Sie ja Dichter werden, so einer wie Goethe, der den »Faust« schuf. Fehlanzeige. Rundum nur scharfe Urteile.
Mir blieb, als man mich mit Wehklagen über meine verlorene Zeit und verschrobene Richtung wahrhaft betäubte, ein wunderlicher Trost … nämlich, dass mein Werk erst richtig beurtheilt werden könnte, wenn es mit der Musik versehen sein würde.

Bayreuth ist Bayern. Ludwig II. wurde zu Ihrem Mäzen.
Ich bin durch die Liebe des jungen Königs für alle Zeiten gegen jede Sorge geschützt, kann arbeiten, habe mich um nichts zu bekümmern; keinen Titel, keine Funktion, keine Art von Verpflichtung.

Ihr Selbsturteil in einem Satz?
Ich bin ja das tollste Subjekt, das man sich vorstellen kann.

Was wird aus Ihrem Werk? Denken Sie an die Nachwelt?
Nichts für die Nachwelt, Alles für die Mitwelt und den Augenblick – habe ich diese tüchtig gepackt, kommt die Nachwelt von selbst.

Das Gespräch »führte«, in Originaltexten lesend, Hans-Dieter Schütt

PRO

Bayreuth ist Altarfeier der Hochkultur, Kunstausübung hat die Pflicht zur Extravaganz. In Zeiten der Herabwürdigung als bevorzugter Kulturpraxis sind Festspiele letztes Hoffnungssignal einer traditions- wie erneuerungsfähigen Elite. Bayreuth ist die Bastion, die in Salzburg fiel: Aufführungen, die man nur hier sehen kann (Salzburg: Inszenierungen entstehen in Koproduktion mit dem Festival, es verkam zum Sponsor für das, was man Wochen später auch in anderer Stadt sehen kann). Zudem wird Merkel – Bayreuths Eröffnungsparcours – wieder in Kontext mit Gottschalk gezwungen. Das macht beide kenntlich. A. Stralau

KONTRA

Geld oder Liebe? Stellte Wagner als Grundfrage, Bayreuth heute gibt die Antwort: Geld! Viel Geld für Geltung, Geltung als Sucht. Völlig veraltete, langweilige Idee – da man landauf, landab viele erregende Wagner-Inszenierungen sehen kann. In fränkischer Provinz wird Wagner nur noch am Nasenring der Nibelungen durch die Showszene gezerrt. E. Karbo

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