PLATTENBAU
Bonaparte
Bonaparte heißt ein wüster, in Berlin ansässiger Haufen von verkleideten Freaks und Überlebenskünstlern des schlauchenden hauptstädtischen Nachtlebens. Eine Truppe, die genau jene Art von Performance zelebriert, die exzesshungrige Einheimische und Touristen aus ganz Europa Wochenende für Wochenende brauchen, um auf einer Welle von Techno- und Elektrobeats reitend die Nacht zum Tage zu machen.
Tobias Jundt ist musikalischer Leiter und Chefdramaturg von Bonaparte. In seinen Händen laufen alle Fäden – nur er darf daran ziehen, um stumpfe Computerbeats, übersteuerte Bässe, seine verzerrte Stimme und die Show drum herum ins richtige Verhältnis zu bringen. Jundt bekennt sich dazu, Musikmachen nicht mit Demokratie zu verwechseln. Das merkt man dem zweiten Album »My Horse Likes You« an: Es ist überzeugend kompromisslos. Beim Hören fragt man sich wieder einmal, warum die Unsitte, kreatives Potential per Proberaum-Abstimmungen zu liquidieren, überhaupt so verbreitet ist.
Bonapartes computerverliebter Schrauberei jedenfalls hätte das gewiss nicht gut getan. Keine Frage, solche Musik muss man mögen. Abgehackter Elektropunk ist nicht jedermanns Sache, erst recht nicht, wenn er mit einer eintönig-verzerrten Stimme kombiniert wird, die einem unaufhörlich ins Hirn sägt. Singen kann Tobias Jundt wahrscheinlich nicht, ein Kritiker, der sich darüber beschweren würde, geriete allerdings auf die falsche Bahn. Hier geht es nicht um romantische Hintergrundberieselung. Für wen das kein Lebensgefühl ist, wer es nicht laut hören mag und dazu nicht auf einem Dancefloor ausflippen, der wird es nicht verstehen.
Alle anderen trifft es genau auf die Ohren. Jundt ist glücklicherweise ein Intellektueller, der diese Tatsache nicht zum Thema macht und der seinen Grips lieber aufwendet, um eine gepflegte Mischung aus Punk-Attitüde und Coolness zu kultivieren. Er hat seine Generation verstanden und weiß, wie man aus ihr und zu ihr spricht.
Wer sich das auf achtfacher Covergröße beidseitig eng bedruckte Text-Booklet zu Gemüte führt, findet subtile Verweise auf vielfältige Themen, an denen diese Generation so zu knabbern hat. Indirekt, ohne Belehrung, ohne Kompromisse. Das Körper-Schlachtfeld, das Dasein als Arschgeburt, der Boykott aller nicht mit den eigenen Händen hergestellten Dinge sind solche Sujets. Jundt kann von den Unterschieden zwischen Männern und Frauen singen, ohne dabei ständig irgendwelche Fragen zu stellen: »You say ›uuh‹ and i say ›ugh‹« – fertig. Ein Kerl, der etwas anzusagen hat. Diese Art von »Checkung« ist der Glücksfall im Popgeschäft, sie formt ein Lebensgefühl zu partytauglichen Schlachtrufen.
Bonaparte: My Horse Likes You (Staatsakt / RTD)
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