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Das Böse der Banalisierung
MOSHE ZUCKERMANN ÜBER ANTISEMITISMUS UND SHOAH
Wenn Ideologiekritik instrumentalisiert und so zur Lüge wird, dass sie sich der kritisierten Ideologie annähert, sogar in sie zurückfällt, dann ist eine Kritik dieser ideologisierten Kritik nötig. Vor allem, wenn es sich um eine Kritik an einer Ideologie handelt, die noch virulent ist: Antisemitismus.
Statt dem real existierenden Judenhass entgegenzuwirken, glitte die Antisemitismuskritik mehr und mehr in Trivialisierung und parolenhafte Phrasendrescherei ab, schreibt der israelische Historiker Moshe Zuckermann. Noch nie seien »der konstruierte Zusammenhang von Zionismus, Israel, Shoah, Antisemitismus und Nahostkonflikt so weidlich instrumentalisiert, perfide ausgekostet und schändlich missbraucht worden« wie heute. Der Erosionsprozess der Kritik habe ein Stadium erreicht, in dem »eine Banalität des Bösen dadurch reproduziert wird, dass die Strukturbanalität der historischen Monstrosität sich in einer unbekümmerten Praxis nachmaliger verbaler Repräsentationen der Katastrophe wiederholt«.
Zu diesem drastischen Befund kam Zuckermann nach akribischen Analysen von Reden, Interviews, Artikeln deutscher und israelischer Provenienz wie auch der Abgründe der Blogger-Szene. Die Auswüchse geschichtsklitternder Vergleiche, der Verfälschung und Verzerrung sind atemberaubend. Die Situation der jüdischen Bevölkerung in Israel wird mit der verzweifelten Lage der Juden im Warschauer Ghetto während des Genozids verglichen und das palästinensische Kollektiv als historischer Nachfolger der SS apostrophiert. Dass »enthusiasmierte Solidarisierer«, so Zuckermann, jegliche Kritik an den permanenten Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsbrüchen durch israelische Regierungen mit Antisemitismusvorwürfen abschmetterten, sei längst Routine. Bevorzugt werden Friedenspolitiker, Kommunisten und andere linke Kapitalismuskritiker als »neue Antisemiten« stigmatisiert. In der politischen Kultur Israels sieht Zuckermann eine Ursache für die Inflationierung und Instrumentalisierung der Shoah. Dies dient der Legitimation der brutalen Kriegs- und Besatzungspolitik und des Abbruchs des Oslo-Friedensprozesses. »In den letzten Jahren kommt die kriegsdurchwirkte Barbarisierung der israelischen Politik hinzu, die in Ausnahmezuständen schon immer den Spieß umzudrehen und sich in erbärmlicher Selbstviktimisierung zu ergehen verstand.«
Die »regressive Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland wiederum ist nicht unerheblich »tabuisiertem Antisemitismus« und »legitimierter Islamophobie« seit dem 11. September geschuldet. Der Hass gegen Muslime ersetze den Antisemitismus, der nun in einen »unsäglichen Philosemitismus« umschlage. Die Politik der Bundesregierung habe diese Linie seit jeher verfolgt und erfahre nun von den bürgerlichen Medien, aber auch von gewendeten Linken, den sogenannten Antideutschen, »eine bemerkenswerte ideologische Affirmation«. Diesen Ex-Linken bescheinigt Zuckermann eine »Sehnsucht«, sich jüdischer Opferidentität zu bemächtigen. Die von ihnen so heftig umworbenen und fetischisierten Juden sollten bedenken, »was alles an Unverdautem unter der Maske der ihnen schmeichelnden ›Israelsolidarität‹ und Antisemitenjagd west« lauert.
Zuckermann will der mit dieser Ideologie einhergehenden Beschädigung des Andenkens der Shoah-Opfer Einhalt gebieten. Für »die Wahrung der Würde der historischen Opfer im Stande ihres Opferseins« sei »deren Inschutznahme vor heteronomer Vereinnahmung« unabdingbar.
Moshe Zuckermann: »Antisemit!« Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument. Promedia Verlag. 208 S., br., 15,90 €.
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