Italien rüstet sich für Neuwahlen
Linke und Rechte suchen Verbündete
Die konservative und reaktionäre Regierung unter Leitung von Berlusconi geht ihrem Ende entgegen. Davon sind zumindest die meisten politischen Beobachter in Italien überzeugt. Schon im Frühjahr könnte es vorgezogene Wahlen geben. Und darauf bereitet man sich links wie rechts auch vor.
Pierluigi Bersani, Vorsitzender der Demokratischen Partei, und Nichi Vendola, Ministerpräsident der Region Apulien und Leitfigur der Partei Linke, Ökologie und Freiheit haben sich kürzlich zum Mittagessen getroffen. Das wäre an sich keine große Nachricht, wenn da nicht die Wahlen wären, die den Italienern wohl im nächsten Jahr bevorstehen. Die Regierung Silvio Berlusconis hat einen wichtigen Teil verloren, Kammerpräsident Gianfranco Fini hat seine eigene Partei gegründet, und der augenblickliche Waffenstillstand zwischen den beiden wird wohl nicht von Dauer sein.
Wenn sich in einer solchen Situation der Chef der größten Oppositionspartei und eine charismatische Persönlichkeit der Linken wie Vendola treffen, hat das schon eine besondere Bedeutung. Und das haben die beiden dann auch bestätigt: »Wir wollen gemeinsam eine Alternative aufbauen und einen ständigen Kanal zwischen unseren Parteien offen halten«, erklärte Bersani. Und Vendola: »Wir haben die Pflicht, miteinander zu reden, eine Stratege auszuarbeiten, um das Land vor den Schäden des Berlusconismus zu retten. Unser Treffen war gut, schön und nützlich.«
Im Klartext heißt das Folgendes: Beide Parteien sind damit einverstanden, dass man versucht, erst einmal eine breite Übergangsregierung zu bilden, um das derzeitige illiberale Wahlgesetz zu ändern. Um das zu erreichen, kann man »auch mit dem Teufel« koalieren, was in diesem Fall die rechte Partei von Fini und die Christdemokraten wären. Vendola würde solch einer Koalition, wie Bersani sie anstrebt, wahrscheinlich nicht beitreten, sie aber tolerieren.
Sollte es danach zu vorgezogenen Wahlen kommen, wird man das linke Wahlvolk darüber entscheiden lassen, wer der beste Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten ist. Die Demokratische Partei wird also auch für Kandidaten aus anderen Parteien und Gruppierungen offen sein. Und wenn Vendola, der zweifellos ein großer Hoffnungsträger vor allem für Jugendliche ist, diese Vorwahl gewinnen sollte, wird die Demokratische Partei loyal hinter ihm stehen.
Tatsächlich gibt es dafür schon einen Präzedenzfall: In Apulien gewann Vendola erst die Vorwahlen, dann die Wahlen und leitet jetzt eine Regionalregierung, in der die Demokratische Partei die stärkste Kraft ist, während seine eigene Partei kaum ins Gewicht fällt.
Pierluigi Bersani wird sich in den kommenden Wochen auch mit anderen potenziellen Koalitionspartnern treffen, um ein möglichst breites Lager gegen Berlusconi und vor allem gegen Umberto Bossis Lega Nord auf die Beine zu stellen, die – will man den jüngsten Umfragen glauben – stärkste Partei im italienischen Norden werden könnte.
Aber auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums tut sich bereits einiges. Die Leute um Gianfranco Fini wollen ein Bündnis mit anderen moderaten Kräften aufbauen, um Italien – wie sie sagen – eine »moderne konservative Regierung nach europäischem Muster« zu geben. Und auch dort sucht man nach einem geeigneten und vorzeigbaren Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Neben dem von Fini selbst ist jüngst noch ein anderer Name aufgetaucht: Luca Cordero di Montezemolo, ehemals Vorsitzender des Unternehmerverbandes, Chef von Fiat, heute von Ferrari, und seit langem schon ein scharfer Kritiker Silvio Berlusconis. Montezemolo hält sich bisher allerdings sehr bedeckt und lässt noch offen, ob er für solch eine Koalition und solch ein Amt zur Verfügung stehen würde.
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