Unterschätzte Signale
Schnelles Handeln kann bei Schlaganfall Behinderungen vermeiden
Ein Bein fühlt sich plötzlich taub an, das aufgeschlagene Buch erscheint doppelt vor den Augen, ein Mundwinkel zeigt deutlich nach unten? Jedes dieser Symptome allein kann schon auf einen Schlaganfall hinweisen. Auch akut einsetzende Schwindelgefühle oder Sprachstörungen gehören zu den Anzeichen. Da dabei aber keine Schmerzen – bis auf einen möglicherweise starken Kopfschmerz – auftreten, werden sie oft nicht ernst genommen. »Dann leg ich mich jetzt erst mal schlafen, morgen wird das schon wieder weg sein«, denken sich Betroffene. Aber am nächsten Morgen kann es schon zu spät sein.
Bei einem Schlaganfall wird durch ein Blutgerinnsel entweder ein Hirngefäß verschlossen oder das Gefäß reißt ein und es kommt zu einer Blutung ins Gehirn. In der Folge wird das Gewebe geschädigt, die so verursachten Ausfälle sind teils irreparabel. Schlaganfälle sind in Deutschland eine der häufigsten Todesursachen, 40 Prozent der Betroffenen sterben innerhalb des ersten Jahres. 64 Prozent bleiben pflegebedürftig. Es wird geschätzt, dass durch den Hirnschlag zwei bis fünf Prozent der gesamten Gesundheitskosten in den westlichen Ländern verursacht werden. Da sich die Hälfte der jährlich etwa 250 000 Schlaganfälle nach dem 73. Lebensjahr ereignet, muss mit steigender Lebenserwartung auch bei gleichbleibender Erkrankungshäufigkeit mit immer mehr Fällen gerechnet werden. Aber auch schon 200 bis 300 Kinder erleiden jährlich einen Schlaganfall.
Um gravierende Folgen möglichst zu vermeiden, ist schnelles Handeln angesagt: Bei einem oder mehreren Symptomen sollte man sofort den Notruf »112« wählen. Durch die Einweisung in eine neurologische Klinik mit einer spezialisierten Abteilung, der sogenannten »Stroke Unit«, kann unverzüglich die Ursache geklärt und eine Therapie eingeleitet werden. Eine Auflösung des Blutgerinnsels mit einem intravenös verabreichten Medikament, die Thrombolyse, ist bis zu viereinhalb Stunden nach dem Ereignis wirksam. Allerdings kommen 70 Prozent der Akutpatienten dafür zu spät in die Klinik.
Nach neuesten Forschungen werden 30 Prozent der Schlaganfälle durch ein Vorhofflimmern des Herzens ausgelöst. Diese Unregelmäßigkeit der »Pumpe« führt zur Gerinnung einer kleinen Blutmenge, die ins Gehirn gelangt und dort große Gefäße blockiert. Das Flimmern kann seltener als einmal in 24 Stunden auftreten und wird häufig nicht bemerkt. Ein Langzeit-EKG sollte deshalb deutlich länger, bis zu sieben Tage, durchgeführt werden. Häufig ist das nicht möglich, da die Patienten lediglich drei bis vier Tage in der Stroke Unit bleiben.
Angesichts unterschiedlicher Ursachen eines Schlaganfalls ist bei der Behandlung erheblicher diagnostischer Aufwand nötig. Eine Stroke Unit hat ständigen Zugang zu Großgeräten wie CT und MRT und verfügt über ein Team von rund um die Uhr einsatzbereiten Internisten, Kardiologen und Neurochirurgen. In der Bundesrepublik haben 180 Kliniken zertifizierte Stroke Units. Hier werden zwischen 60 und 70 Prozent der Akutpatienten versorgt. Die Mehrzahl von ihnen besucht direkt danach eine Rehaeinrichtung. Anschließend sind häufig noch weitere Physiotherapieeinheiten nötig – aber, so bedauert der Neurologe Otto Busse von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft, diese würden häufig aus Kostengründen schon nicht mehr erstattet.
Defizite gibt es auch bei der Prävention. Einer der wichtigsten Risikofaktoren für einen Schlaganfall ist Bluthochdruck – und damit stehen die üblichen Beteiligten einer ungesunden Lebensweise im Fokus: Bewegungsarmut, ungesunde Ernährung, Übergewicht, maßloser Alkoholgenuss und Rauchen.
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