Das weiße Pulver aus der Al-Qaida-Küche
Man nehme: 20 Milliliter rauchende HNO3 (hochkonzentriert, mindestens 93 Prozent). Das gebe man in ein Becherglas, welches man in eine Schüssel stellt, die mit Eiswürfeln gefüllt ist. Es wird solange gerührt, bis die Temperatur unter 10°C gefallen ist. Dann braucht man fünf Gramm feines ...
Das Rezept für Nitropenta, das im medizinischen Bereich ähnlich wie Glycerintrinitrat als gefäßerweiterndes Medikament bei Angina Pectoralis eingesetzt werden kann, ist im Internet nachzulesen. Doch warum sollte man sich das Zeug so aufwendig selbst zusammenrühren?
Die Antwort ist simpel. Nitropenta oder Pentrit wird auch PETN genannt. Und das ist ein leistungsstarker, hochbrisanter und zugleich relativ unempfindlicher Sprengstoff, der chemisch sehr stabil ist. Das weiße Pulver, das man in den präparierten Toner-Patronen von HP-Laserdruckern des Typs P2055 gefunden haben will, soll PETN sein. Das Zeug, so wird kolportiert, sei ein spezielles Produkt aus den Al-Qaida-Küchen. Gleichsam ein Marker für den Urheber solcher Anschläge. Doch das ist Unsinn.
PETN wurde bereits um 1900 in Deutschland entwickelt. Die farblosen Kristalle gehören zur selben chemischen Familie wie Nitroglyzerin. Mit Ölen oder Wachs gemischt, entsteht Plastiksprengstoff. Der bekannteste und seit vielen Jahren in der Industrie, bei Streitkräften und von Terrorgruppen genutzte wird C4 genannt.
Wird der Explosivstoff industriell eingesetzt, muss er laut Montreal-Abkommen mit Markierungsstoffen versetzt werden, die das Auffinden durch Hunde und Sprengstoffdetektoren ermöglichen. Genau das wollen Terroristen natürlich vermeiden. Also müssen sie Sprengstoff selbst brauen. Chefkoch bei Al Qaida soll der 28-jährige Ibrahim Hassan al-Asiri sein, der in seiner Heimat Saudi-Arabien auf der Fahndungsliste steht und in Jemen auch jene »Unterhosen« gefüllt haben soll, die der angeblich in Jemen trainierte Nigerianer Umar Farouk Abdulmuttalab vergangenes Weihnachten vergeblich auf einem Flug von Amsterdam nach Detroit zu zünden versuchte.
Attentäter setzen darauf, dass man entsprechend verarbeiteten PETN auch nicht durch Röntgen von anderen Stoffen unterscheiden kann. Nur eine Untersuchung mit ionisierender Strahlung würde zur Entdeckung führen. Doch diese Methode ist per Gesetz für medizinische Behandlungen reserviert.
Umso mehr müsste man bei der Suche nach als Luftfracht deklarierten Sprengkörpern auf Zünder achten. Es gibt verschiedenste Arten – beginnend bei traditionellen Zündkapseln bis hin zum Einsatz von Funk-Empfängern.
Doch wie soll man in all der Luftfracht so ein kleines Teil finden? Köln/Bonn, wo eines der beiden gefundenen Pakete weitergeleitet wurde, ist Deutschlands zweitgrößter Umschlagplatz und rangiert in Europa auf Rang sechs. Gerade hat die Frachtfirma FedEx ihr Verteilerzentrum vom Frankfurter Airport nach Köln-Wahn verlegt. Die dortige automatische Verteilanlage kann 18 000 Pakete pro Stunde auf Tour schicken. Auch der Frachtdienst UPS hat in der Wahner Heide sein Europa-Drehkreuz. Die Umschlagmenge in Köln verdoppelte sich von 2000 bis zur Krise 2008 fast – von 423 000 auf 704 000 Tonnen.
Das in Dubai gefundene Paket war von FedEx, das in Großbritannien entdeckte von UPS transportiert worden. R.H.
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