Himmelsmusik

»Impuls«-Festival in Sachsen-Anhalt

  • Stefan Amzoll
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer von der Autobahn Richtung Dessau/Leipzig nach Halle einfährt, der darf links wie rechts eine Geisterlandschaft aus riesigen Industriebauten, Windrädern, Betonbrücken, Dreck, Schlamm anblicken. Wenn November ist, wirkt das alles noch trostloser. Nicht nur die Augen, auch die Ohren reagieren wie geplättet, so als bedrohte eine schmutzige Klangwolke die unschuldigen Organe. Doch die Hallische Altstadt tröstet. Da ist viel hergerichtet worden. In neuem Glanz das Händelhaus mit seinem Glassaal, mit Patina besetzt die Neue Residenz, eher farblos das Neue Theater. Spielstätten zweier Festivals, die derzeit in Halle und Nachbarstädten parallel laufen – das »Impuls«-Festival und die Hallischen Musiktage. Doch ungleich das Paar. »Impuls« existiert erst seit 2008. Es geht über drei Wochen. Mal da, mal dort wird musiziert. Schönebeck, Köthen, Halle, Magdeburg, Dessau. Man muss unentwegt reisen, will man »Impuls«-Musik um des Himmels willen hören. Wozu Impuls und Himmelsmusik? Impulse wären eigentlich Auftrag des Festivals, wenn man den Titel nimmt, was er sagt, Impulse vermittelt die Szenerie durchaus. Aber eher nach rückwärts als vorpreschend. Sechs Orchester sind im Lande Sachsen-Anhalt ansässig. Sie alle sollen zu ihrem Recht kommen, so der Ansatz von Hans Rotmann, der das Festival in der Hand hat und von Almut Fischer tatkräftig unterstützt wird. Allein, lediglich ihre Dirigenten kamen in der Eröffnung zum Zuge, während das berühmte MDR-Sinfonieorchester zumeist seichte Symphonik musizierte.

Durchgesetzte Musik von J. S. Bach/Webern über den vor Erfolg sich kaum retten könnenden Christian Jost bis Leonard Bernstein, der immer passt. Der Himmel ist eigentlich nur durch zwei oder drei Auftragsarbeiten über die Festspiele gekommen. Als kompositorischer Frontmann auserkoren worden ist der Franzose Giullaume Connesson (»A Glimmer in the Age of Darkness«), derzeit in Halle Composer in Residence, dessen Kunst mehrmals im Programm brilliert. Und die Hallischen Musiktage, von dem Hallenser Dreigestirn Gerd Domhardt, Thomas Müller und Hans-Jürgen Wenzel einst emporgehoben?

Zunächst: Die Mitte von »Impuls« hatte schlicht Orchesterpause. Jugend kam zu Wort. Wer Kompositionen von Achtjährigen hört, der ist garantiert zu Tränen gerührt, weil, das ist eine so tolle Sache, dass man vor Freude weinen muss. Im Bauhaus Dessau präsentierten sich 10 Kinder und Jugendliche der Komponistenklassen Halle und Magdeburg. Das Korsett für sie war eng. Maximal sechs Instrumente durften sie notieren, kein Gesang, keine Elektronik. Hinreißend die ehrwürdigen, restlos verbrauchten Gedanken, die sie teils geschickt zu Papier brachten. Jeder Einzelne hat offenkundig sorgfältig die Töne gesetzt, wie in der Schönschriftstunde. Allein der Ansatz, dieses junge Blut in kompositorische Bahnen zu lenken, schien äußerst bedenklich. Spielfreude, Witz, Tollheit, Frechheit – derlei war nicht zu hören.

Die Finanzlage sei prekär, sagt Thomas Buchholz, Komponist und Leiter der Hallischen Musiktage. Er müsse mit der elenden Summe von 20 000 Euro für Organisation und Ausrichtung von sieben Veranstaltungen auskommen. Früher sei ein Vielfaches an Mitteln geflossen und Teil des Programms waren noch Orchester-Konzerte. Die sind heute weg. Frust packt ihn, schaut er auf die Geschichte der Hallischen Musiktage bis Anfang der 1990er Jahre, als noch Reichtum da war. Durch die Beseitigung der Kulturstiftung der neuen Bundesländer habe sich die Lage weiter kompliziert. »Mit dem Auflösen dieser Stiftung hat Sachsen-Anhalt jetzt eine eigene Kunststiftung, und diese fördert die Musiktage schon aus Prinzip nicht, weil man öffentlich bekannt hat: die, die früher 'was gekriegt haben, die kriegen jetzt erstmal nichts.« Das habe für die Hallischen Musiktage einen finanziellen Einbruch um rund die Hälfte der Mittel bedeutet. Ein Schelm, der dabei Böses denkt.

Der Kulturschwund läuft weiter. Vorsicht daher bei Neuentwicklungen. Das Festival »Impuls«, meint Thomas Buchholz denn auch, sei durch das Kultusministeriums der Regierung Sachsen-Anhalts zwangsinstalliert worden: »Das war mehr eine kulturpolitische Tat als eine künstlerische Notwendigkeit. Dieses Festival musste ja auch finanziert werden, und niemand würde heute zugeben, dass das mit unseren Geldern gemacht wird. Aber im Prinzip hat uns die Landesregierung sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass es die Hallischen Musiktage nur noch alle zwei Jahre geben wird und dass wir die Finanzen mit dem Tonkünstlerfest Magdeburg teilen müssen.« Welch himmlische Klänge.

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