Die unsichtbare Bewegung
Es gibt bekanntlich ein treffendes Wort von Bert Brecht, nach dem man immer nur die sieht, die im Lichte stehen. Und zwar im Scheinwerferlicht, lässt sich dies in die neueste Zeit übersetzen: Was nicht gesendet wird, hat auch nicht stattgefunden.
Zum Beispiel die gewerkschaftlichen Herbstaktionen gegen das Sparpaket der Bundesregierung. Eine Viertelmillion Unterschriften gegen die schwarz-gelbe Sparpolitik haben Gewerkschafter gesammelt, überwiegend Metaller aus dem Südwesten. In 600 »Sparpaketen« wurden diese am Mittwoch vom Lkw geladen. Direkt vor dem Paul-Löbe-Haus, gegenüber vom Kanzleramt – in Spuckweite vom ARD-Hauptstadtstudio.
Aufeinandergestapelt zu hohen Türmen, die dann irgendwann einstürzten, ergaben sich bei dem arrangierten Fototermin ganz nette Schnittbilder für den Abendbericht – die aber offenbar niemand haben wollte. In den Hauptnachrichten jedenfalls war von der »fantasievollen Aktion« nichts zu sehen.
Nun kann man allein daraus niemand einen Vorwurf machen. Denn zugegebenermaßen leiern die Formen des Sozialprotestes in letzter Zeit etwas aus. Es ging damit los, dass seit etwa der Mitte der 90er Jahre in so ziemlich jeder menschlichen Ansiedlung mit mehr als 50 000 Einwohnern mindestens einmal die Bildung, der Flächentarif oder gleich der ganze soziale Friede »zu Grabe getragen« wurden. Ab der Jahrtausendwende gab man dann gern mal sein »letztes Hemd« – ob als Studierender, bestellter Pharmalobby-Manifestant oder auch als erzürnter Gewerkschafter. Da kann man schon verstehen, dass sich die Begeisterung der öffentlich-rechtlichen Medienmenschen für die nächste Generation dieser Holzhammer-Symbolaktionen in Grenzen hält.
Bildungsauftrags- und ausgewogenheitsmäßig gibt es dennoch ein Problem – wenn nämlich stattdessen ein paar nass vor sich hintrillernde Kollegen gezeigt werden, die aussehen wie die Definition von Schwäche. Richtig ist das Gegenteil: Nur zwei Wochen haben die Metaller gebraucht, um die Unterschriften zusammenzubekommen. Wer jemals Protestautogramme gesammelt hat, der weiß, dass das für etwas steht. Es sieht nur nicht so schön aus wie die Sondersendungsthemen »Castor« oder »Stuttgart 21«.
Enttäuschten Herbsteinheizern aber bleibt da nur die Zuflucht bei jenem anderen Medien-Philsosophen, der einst gesagt hat, dass die Revolution wohl nicht über den Sender gehen wird. Und die Frage, ob dies auch im Umkehrschluss gilt?
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