Plädoyer für Hamburgs Backstein

Ein Buch zur Debatte um den Denkmalschutz

  • Britta Warda, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Wohnstadt Hamburg: Der Nicolai-Verlag hat den lange vergriffenen Klassiker des Kunsthistorikers Hermann Hipp neu aufgelegt. Die Edition soll die öffentliche Diskussion über die Vereinbarkeit von Klimaschutz und Denkmalschutz vorantreiben. Denn die Anpassung von historischen Bauten an die neuen Bedingungen stellt ein grundsätzliches Problem für den Denkmalschutz dar.

In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden unter Leitung des damaligen Hamburger Oberbaudirektors Fritz Schumacher jene großen Wohnsiedlungen, deren einzigartige Backstein-Architektur das Gesicht der Hansestadt bis heute prägt: Der Dulsberg und die Jarrestadt sind nur zwei Beispiele. Vergleicht man diese einst von namhaften Architekten konstruierten Massenunterkünfte mit den seit den fünfziger Jahren neu entstandenen Siedlungen, dann wird schnell klar, dass es sich bei den historischen Backsteinbauten um einen einzigartigen Schatz handelt. Heute existieren noch rund 1100 Anlagen mit Original-Antlitz, von denen etwa ein Viertel unter Denkmalschutz steht.

Trotz aller Bemühungen des Denkmalschutzamtes sind viele dieser Klinkerbauten im Laufe der Jahre Opfer gedankenloser, unsensibler Sanierung geworden, im schlimmsten Fall sogar Opfer der Abrissbirne. Heute ist ihr historisches Erscheinungsbild akut gefährdet – auch eine Folge der Energiesparverordnung aus dem Jahr 2007.

Das Grausen der Ästheten

In naher Zukunft sollen alle Häuser an die aktuellen energietechnischen Standards angepasst werden. Viele der lebendig wirkenden Backsteinfassaden sind bereits hinter wärmedämmenden »Isolierklinkern« verschwunden, die das Original imitieren sollen. Ein Beispiel ist der Adolf-von-Elm-Hof in Harburg. Das Ergebnis erfüllt den Ästheten mit Grausen: Entstanden sind eintönige Flächen mit Fenstern, die sich hinter Schießscharten zu verbergen scheinen.

Um zu retten, was noch zu retten ist, hat das Denkmalschutzamt den bis dato vergriffenen Klassiker »Wohnstadt Hamburg« von Hermann Hipp neu auflegen lassen, um die öffentliche Diskussion über die Vereinbarkeit von Klimaschutz und Denkmalschutz voranzutreiben.

Die Erstauflage erschien 1982 anlässlich der Auseinandersetzungen um die Kohlendioxid-Problematik und den Umgang mit den historischen Sprossenfenstern der Backsteinbauten. Der Autor erarbeitete damals im Auftrag der Kulturbehörde eine umfassende Darstellung des Hamburger Wohnsiedlungsbaus zwischen Inflation und Weltwirtschaftskrise. Zur Rettung des Stadtbildes stellte die Stadt damals auf Drängen des Denkmalschutzamtes 16,5 Millionen DM zur Verfügung, um wenigstens bei den bedeutendsten Objekten die Sprossenfenster zu erhalten. Tatsächlich wurden am Ende nur 10,5 Millionen DM verbaut. Die Anpassung von historischen Bauten an die neuen Bedingungen stellt ein grundsätzliches Problem für den Denkmalschutz dar. In seinem Beitrag »Denkmalschutz versus Rettung der Welt« beschäftigt sich Autor Gerd Kähler in der erweiterten Neuauflage mit der Frage, wie man mit der Situation verträglich umgehen könne.

Welche Alternativen?

»Diese Siedlungen waren eine große soziale Errungenschaft«, schreibt Kähler. Sie galten zur Zeit ihrer Entstehung als hochmodern – mit eigenen Bädern, WC, Querlüftung, Zentralheizung. Heute haben sich die Ansprüche geändert. Um weiter angemessene Mieten zu erwirtschaften und dem Klimaschutz Tribut zu zollen, müssen die alten Quartiere umgebaut werden.

Doch das Wie ist entscheidend. Bisher ist unter dem Aspekt der Energieeinsparung die Verkleidung der Außenwände die effektivste Lösung. Eine befriedigende, bezahlbare Alternative ist noch nicht in Sicht. Denkmalschützer fordern einen weitgehenden Verzicht auf Wärmedämmmaßnahmen bei städtebaulich bedeutenden Klinkerfassaden. Alternativ soll durch hochwertige Haustechnik, Wärmeschutzfenster sowie Keller- und Dachdämmung eine bessere Energieeffizienz erreicht werden.

Hermann Hipp: Wohnstadt Hamburg. Nicolai-Verlag, Berlin, 159 Seiten, 24,90 Euro

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