Lang und gut

Dieter Dorn / Nach 38 Jahren Theater-Intendanz in München ist im Sommer Schluss

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Zahlen töten Texte. Ziffern zerstören den Rhythmus eines Artikels. Datenangaben sind die Hacker im Auftrag der Informationsfetischisten. Hier aber ist Zahlenwerk unbedingt vonnöten: Dieter Dorn wurde 1983 Intendant der Münchner Kammerspiele, vor einigen Jahren wechselte er mit dem Ensemble quasi die Straßenseite, zog ins Residenztheater und ist nunmehr im 38. Jahr eines Direktorats in dieser einen Truppe. Das hat kommunistisch grundiertes generalsekretärisches Format! Aber aus den Jahren heraus drangen nur Töne eines glücklichen Volks, des spielenden wie des zuschauenden. Vor einigen Tagen hatte am Residenztheater »Käthchen von Heilbronn« Premiere, Dorns letzte Inszenierung am Haus, das er am Ende der Spielzeit als Intendant freigibt. In Richtung Ruhestand nach einem Leben für jenen theatralischen Organismus, der zu den prägenden der Bundesrepublik zählte.

Dorn, 1935 in Leipzig geboren, 1956 in den freien Westen geflohen, Schauspieler und Reporter und Regisseur in den Provinzen, war 1971 Oberspielleiter an den Münchner Kammerspielen geworden; seine Ära war eine Epoche der Königinnen und Könige, und diese Herrscher waren allesamt Schauspieler, Rolf Boysen, Thomas Holtzmann, Gisela Stein, Lambert Hamel, Jens Harzer, Cornelia Froboess ... Hier hat Thomas Langhoff zu DDR-Zeiten seine ersten großen West-Inszenierungen vollführt – als er nach zehn Jahren Intendanz am DT etwas ratlos um sich sah, war es der Blick seines Freundes Dorn, der ihn aus München traf, und er arbeitete erneut an dessen Haus. Wo es nie eine Frage war, was mit den Großen würde, wenn sie große Alte würden.

Dorns Theater, das sich besonders an Shakespeare und Strauß befeuerte, war stets ein Theater des Staunens, der Wunderdroge Wort, des literaturgläubigen Hineingleitens in ein Stück. Er sprang nicht in den Text wie in Geröll, er trampelte sich keine Pfade durch die Handlung, er schnitt den Dichtern keine Schleifenwege ab – er ist ein Virtuose des bedächtigen horchenden Malens, er strahlt in Demut vor dem Thron der Weltdramatik. Jenem Lichteinfall, den Dichtung wirft, stets näher als dem Regieeinfall, der nur aus modischen Sonnen flimmert.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -