Die Transen-Nachtkönigin Berlins
Porträt einer Berliner transsexuellen Partylegende
„Fahr doch nach Casablanca!“ An die 80er kann sich Chantal gut erinnern. Selbst in den Zentren der schwulen Emanzipation in West-Berlin, wie das damals gerade erst von Martin Kippenberger gegründete „SO36“ hatten Transsexuelle es schwer. „Sie sind nicht mehr schwul, sie wollen Frauen werden“, wurde über uns gesagt. „Wir waren meistens im Entertainment und Party-Milieu unterwegs. Es war wie ein Lifestyle.“
Schließlich geht es darum die Hormon-Behandlung zu bezahlen. „Entweder Titen von Sozialamt oder vom Straßenstrich!“ Heute lacht Chantal vor der Kamera. Seit zehn Jahren ist sie Veranstalterin der legendären Donnerstags Party „House of Shame“ in Bassy Club. Davor ging sie siebzehn Jahren lang auf den Transenstrich in der Frobenstraße anschaffen. „Am Anfang war es faszinierend, Du hattest Sex und Geld, leicht verdientes Geld. Viele waren da auf harten Sachen und nach zehn Jahren waren viele verschwunden oder gestorben. Und Du, Du wirst nur noch saurer. Es wurde kein einfaches Geld mehr und es kam immer wieder die Frage: Wo solltedas hinführen?“
Der Schritt weg vom Straßenstrich hat Chantal Anfang der 90er geschafft und unter dem Kunstnamen „Nachwuchs-schwanzlutscherin“ ist sie als Drag aufgetreten. „Chantal gehört zu dem was Berlin ausmacht. Sie ist wirklich wild, nicht eine dieser „Be Berliner“, sagt der Chef der Gay-Bar Hafen in der Motzstraße.“Es gab eine Zeit, da war der Hafen wie ihr Wohnzimmer, quasi ihr Schlafzimmer. Und dann hatte sie die Idee von „House of Shame.“ Das ist zehn Jahre her.
In der Queer-Szene ist ihre Partyreihe „Chantals House of Shame“ mittlerweile eine Referenz. Das bezeugen auch die Musikmitschnitte in der Dokumentation: „Chantals House of Shame“ gehört zum experimentellen Underground. „Egal ob Du Dich als Drag, Gay, Transsexual, Electro oder Punk bezeichnest: Hauptsache Du hast Sex Appeal“, sagt Chantal als Heidi der Subculture. „Chantal ist faszinierend, sie hat so ein Wechselspiel an Persönlichkeit“, sagt ihre langjährige Freundin Lola. „Chantal ist einfach geil“, fügt Gloria Viagra hinzu. Von Zürich bis New York City haben die Transen was über Chantal zu sagen.
Durch alle Interviews zeichnet der Film "House Of Shame / Chantal All Night Long" von Johanna Jackie Baier eine Chantal als Veranstalterin, Gastgeberin, Frontfrau und Rampensau der „House of Shame“-Parties. Sex, Drogen und Rock'n Roll, aber vor allem Sex und Drogen. Die schrille Party, die dem Film den Namen gibt, steht im Zentrum. Aber die große Leistung des Films steckt woanders und zwar im Wiedergeben der schnörkellosen Erzählungen Chantals, in der sich Chantals selbstbewusste und radikale transsexuelle Identität spiegelt.
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