Polizei stürmt falsches Haus

Gravierende Pannen bei Jagd auf Bündnis »Dresden Nazifrei!«

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Durchsuchung am 19. Februar in Dresden hat die Polizei nach Angaben der LINKEN das falsche Haus gestürmt. Derweil beginnen nach dem gescheiterten Naziaufmarsch die juristischen Auseinandersetzungen.
Das brennt! Eine neue Waffe setzten Beamte des sächsischen SEK gegen Protestierende am Samstag in Dresden ein: »Pepperball« – Pfefferball. Mit der Waffe werden Plastikkugeln auf Personen geschossen. Sie zerplatzen beim Aufschlag, setzen einen Pfeffernebel frei. Blaue Flecken, Heulen, Atemnot, Schleimhaut- und Hautreizungen sind die Folge. Die Waffe ist umstritten. In den USA gab es beim Einsatz Todesfälle.
Das brennt! Eine neue Waffe setzten Beamte des sächsischen SEK gegen Protestierende am Samstag in Dresden ein: »Pepperball« – Pfefferball. Mit der Waffe werden Plastikkugeln auf Personen geschossen. Sie zerplatzen beim Aufschlag, setzen einen Pfeffernebel frei. Blaue Flecken, Heulen, Atemnot, Schleimhaut- und Hautreizungen sind die Folge. Die Waffe ist umstritten. In den USA gab es beim Einsatz Todesfälle.

Ende 2004 unterlief einem Sondereinsatzkommando der Polizei in Sachsen ein fataler Irrtum. Auf der Suche nach einem Rotlicht-König stürmte die Truppe ein Haus im Stadtteil Loschwitz. Die Beamten erwischten aber die falsche der beiden Wohnungen – und erschossen dabei zwei Hunde.

Hunde kamen nicht zu Schaden, als 120 Polizisten am Samstag das »Haus der Begegnung« in der Großenhainer Straße 93 in Dresden stürmten, Türen aufsägten, Anwesende bis auf die Unterhosen ausziehen ließen und sie fesselten, 21 Mobiltelefone und 25 Rechner beschlagnahmten. Allerdings: Erneut hatte sich das SEK in der Tür geirrt. Das jedenfalls erklärte gestern André Schollbach, Jurist und LINKE-Fraktionschef in Dresden.

Schollbach hat den Vermerk gelesen, den eine Richterin nach ihrer mündlichen Zustimmung zum Durchsuchungsantrag der Staatsanwaltschaft fertigte. Darin ist nur von Räumen des Vereins »Roter Baum« in der Großenhainer Straße 86a die Rede, die 50 Meter entfernt auf der anderen Straßenseite liegen. »Es wurde offensichtlich das falsche Gebäude gestürmt«, erklärt Schollbach und fügte hinzu: »Der durch das LKA zu verantwortende Einsatz scheint völlig aus dem Ruder gelaufen zu sein.« Die Durchsuchung mehrerer Räume der Partei, einer Privatwohnung, einer mit einem großen Schild gekennzeichneten Anwaltskanzlei und zweier Vereine sei rechtswidrig gewesen.

Das Landeskriminalamt weist die Vorwürfe zurück. Man sei sich »aufgrund von Aufklärungsergebnissen« darüber im Klaren gewesen, dass die Großenhainer Straße 93 Ziel der Maßnahmen war. Die andere Adresse sei »irrtümlich« genannt worden, sagte eine Sprecherin gestern, fügte aber hinzu, dies sei »ein zu vernachlässigender Fehler, der nicht zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes führt«. Ermittelt werde wegen Landfriedensbruchs, teilte das LKA mit: In dem Haus hätten sich Linksextreme aufgehalten, die am Rande der Proteste gegen den Naziaufmarsch »Gewaltstraftaten koordinierten«. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeführt. Ihr Sprecher begründete die Verwirrung in Sachen Hausnummer mit einem »Kommunikationsfehler«. Ebenso war tags zuvor schon begründet worden, warum die Staatsanwaltschaft zuerst nur eine Durchsuchung beim Verein »Roter Baum« bestätigt hatte, aber viele Räume durchkämmte.

Die LKA-Aktion wird Landtag und Justiz beschäftigen. Letztere bekommt auch anderweitig viel Arbeit. So hat Dagmar Enkelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der LINKEN im Bundestag, Anzeige gegen die Polizei wegen Körperverletzung im Amt eingereicht. Anlass ist ein Einsatz von Pfefferspray und Hunden gegen Demonstranten ohne Vorwarnung. Sie habe den Eindruck, dass es die Polizei »gezielt auf Konfrontation anlegte«, erklärte sie. Derweil hat Presseberichten zufolge ein ranghoher sächsischer Polizist Bundestagsvize Wolfgang Thierse wegen Beleidigung angezeigt. Der SPD-Politiker hatte beklagt, dass drei Nazi-Kundgebungen genehmigt, aber Rechte der Gegendemonstranten eingeschränkt würden. Dies sei »sächsische Demokratie«.

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