Ade Tripolis: Alle versuchen zu fliehen

Leiter der Deutschen Schule ist fassungslos

  • Maryam Schumacher (dpa), Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Zehntausende Ausländer – Europäer, Asiaten und Amerikaner – haben Libyen bereits verlassen. Viele warteten am Donnerstag noch darauf, den Unruhen per Flugzeug, Schiff oder auf dem Landweg zu entkommen.

Hals über Kopf hat auch der Leiter der Deutschen Schule in Libyen mit seiner Familie das Land verlassen. Jetzt ist Stefan Plack in Deutschland und erzählt, was er während der Unruhen in Libyen erlebt hat.

Die Deutsche Schule in Tripolis ist erst einmal passé. Plack war dort drei Jahre lang Schulleiter. Doch der Aufstand gegen das Regime Muammar al-Gaddafis beendete die Idylle jäh. Binnen weniger Tage musste er mit seiner Frau Libyen verlassen. Was bleibt, sind Erinnerungen an »ein schönes Land«. Jetzt, wo Plack in Deutschland ist, fällt ihm der Rückblick schwer. Was in Libyen passiert, kann er nicht glauben. Er sagt: »Das ist für mich so tragisch.«

Die Deutsche Schule in Tripolis bleibt vorerst bis zum 5. März geschlossen. Ob sie je wieder geöffnet wird? Nicht so lange das Land unsicher sei, meint der Lehrer. Alle Schüler seien mit ihren Familien ausgereist, ebenso wie die meisten Lehrer.

Plack hat die kleine Privatschule sehr gemocht. Er mochte seine Arbeit, er mochte die anderen Lehrer. Man war wie eine kleine Gemeinde. Rund 50 Kinder gingen dort bis zur 8. Klasse zur Schule, betreut von einem Dutzend Pädagogen. Auf der Homepage der Schule schien das Leben in Libyen fast paradiesisch. Die Kinder der verschiedenen Klassen schreiben vom schönen Strand, vom türkisblauen Meer und von den gastfreundlichen Leuten. Zu stören schien sie alle nur der viele Müll und der Verkehr. Ein Junge schreibt: »In Libyen könnte ich noch viele Jahre bleiben!«

Wenn Plack die Nachrichten über Libyen verfolgt, ist er fassungslos. Alle seien von der Situation überrannt worden. »Das hat keiner von uns vorausgesehen, zumindest nicht in dem Maße.« Fast scheint es, als würde es ihn schmerzen, über Libyen und seine Zeit dort zu reden. »Das hat jetzt einen tiefen Einschnitt bei mir gemacht.« Er könne nichts mehr sagen, weil er einfach traurig und übermüdet sei.

Die letzte Nacht, die Familie Plack in ihrem Haus in Dschanzur, westlich von Tripolis, verbrachte, war schlimm. Schießereien waren zu hören, Jugendliche randalierten auf den Straßen. Die Mauer um das Haus der Placks herum wurde durchbrochen. Die Placks verbrachten ihre letzte Nacht in Angst, ein unsicheres Schicksal vor Augen. Am Morgen eilten sie zum Flughafen und waren mitten im Chaos. Zentimeterweise mussten sie sich zu den Abfertigungsschaltern vorarbeiten. »Situation chaotisch, alle versuchen zu fliehen«, kommentiert er. Erst einen Tag später ergatterten sie Plätze in einer türkischen Maschine und flogen über Istanbul nach Deutschland. »Sogar den Hund haben wir mitgenommen«, sagt Plack erleichtert und lacht.

So richtig angekommen in Deutschland ist der 57-Jährige noch nicht. Noch treibt ihn die Unruhe, solange er nicht alle Bekannten und Freunde in Sicherheit weiß. Von einem befreundeten Lehrer fehlt noch jede Nachricht, das Telefon schweigt.

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