Clara kommt doch noch vom Speicher
Die Odyssee eines Zetkin-Bildes in Döbeln nimmt kurz vor dem 100. Frauentag ein gutes Ende
Es war das Symbol einer Freundschaft: das Porträt von Clara Zetkin, das der ukrainische Maler Sorokoljatow in Öl gemalt hatte und das die Kommunistin und Frauenrechtlerin mit weißem Haar zeigt. Seit Mitte der 80er Jahre hing es im Flur der Clara-Zetkin-Oberschule Döbeln, die es in Kiew geschenkt bekommen hatte: »Seit 1981 gab es einen regen Austausch mit der 167. Oberschule«, erzählt der frühere Schuldirektor Werner Schindler. Damit auch jenseits der allsommerlichen Besuche daran erinnert wurde, tauschte man Bilder: Ein Döbelner Schüler malte Ernst Thälmann, und die Kiewer organisierten das Porträt Clara Zetkins (Foto: Schindler).
Das blieb auch im Schulflur hängen, als sich die politischen Verhältnisse änderten – allerdings nur bis 1992. Da wurde Schindler als Direktor gekündigt, weil die regierende CDU in Sachsens Schulen aufräumte. Er habe überlegt, ob er das Zetkin-Bild mitnehmen soll, erinnert Schindler sich; schließlich hatte er den Austausch maßgeblich organisiert, und »ideell war das Gemälde meines«. Er verwarf die Idee dann doch, und als er weg war, verschwand das Bild im Archiv.
Erst nach vielen Jahren erinnerte sich der frühere Schulleiter wieder an das Gemälde, erfuhr, dass dieses in der Versenkung verschwunden war – und hatte eine Idee: Wenn es in der Schule, die inzwischen wie auch die Clara-Zetkin-Straße in Döbeln ihren Namen verloren hatte und jetzt »Schule am Holländer« heißt, kein Platz für das Bild ist, könnte es an einem anderen passenden Ort ausgestellt werden: in der Clara-Zetkin-Gedenkstätte Wiederau. In dem kleinen Ort unweit von Döbeln sorgt sich ein Verein auf rührende Weise um die Ausstellung in Zetkins Geburtshaus.
Schindler, der das Bild dank einer kooperativen Ex-Kollegin aus dem Archiv erhalten hatte, bot dieses dem Verein zur Ausstellung an; dort war man angetan, setzte einen Leihvertrag auf und organisierte eine feierliche Übergabe, die zum 100. Jahrestag der Proklamation des Internationalen Frauentags im März 2010 stattfand – mit Chor und vor Gästen und Journalisten.
Hier hätte die Geschichte zuende sein können – wäre nicht die Bürokratie. Im Döbelner Rathaus registrierte man die Zeitungsartikel. Danach schickte Oberbürgermeister Hans-Joachim Engerer (CDU) einen Brief an Schindler, in dem er mitteilte, dass das Gemälde bekanntlich einst der Schule geschenkt wurde und damit »nach unserer Rechtsauffassung in das Eigentum des Schulträgers, also der Stadt Döbeln, übergegangen ist«. Nach einigen Erklärungen willigte das Rathaus zwar in die Überlassung an die Wiederauer Gedenkstätte ein. Diese habe jedoch kurz darauf ein Schreiben erhalten, in dem der Wert des Gemäldes auf 2000 Euro festgesetzt wurde. Bei Beschädigung oder Diebstahl hätte der Verein den Schaden ersetzen müssen, erklärt Schindler: »So viel Geld hat er aber nicht.« So wurde das Gemälde zurückgeschickt – und verschwand wieder in Döbeln, diesmal im Rathaus.
Schindler war verwundert über die Wert-Schätzung: »Als ich das Gemälde aus dem Archiv erhielt, war es verdreckt und der Rahmen beschädigt«, erzählt er. Vor allem aber sei er enttäuscht und verärgert gewesen, weil das Zetkin-Porträt »erneut auf dem Speicher verschwinden sollte«, sagt er. Auf Anraten eines Bekannten habe er sogar eine Spendensammlung erwogen, um dem Wiederauer Gedenkstätten-Verein die 2000 Euro zu beschaffen, mit denen das Bild hätte abgesichert werden können. Dort aber lehnte man dankend ab – womöglich, weil man des Wirbels um das Bild müde war, das in der Gedenkstätte eines von mehreren Zetkin-Porträts gewesen wäre.
Es hat einiger Gespräche auf den Fluren des Rathauses von Döbeln bedurft, bis für das Bild nun doch noch eine Lösung gefunden wurde. »Das Bild ist gerettet«, erklärte gestern Werner Busch, der Fraktionschef der LINKEN im Stadtrat. Die Verwaltung habe eingewilligt, das Zetkin-Porträt als Dauerleihgabe an die Stadt-Geschäftsstelle der Partei zu übergeben. Die Räume direkt neben dem Theater seien jede Woche für Sprechstunden und Beratungen geöffnet; das Bild sei also auch öffentlich sichtbar, betont Busch: »Es erhält einen ordentlichen Platz.« Von finanziellen Garantien sei nicht mehr die Rede gewesen, so Busch: »Ich glaube nicht, dass es daran scheitert.«
Schindler ist mit der zum 100. Jubiläum des Frauentags gefundenen Lösung zufrieden – und hofft nun, das Bild möge Betrachter finden. Seine früheren Schüler, hat er aus Mails erfahren, »denken noch immer gern an die Reisen – und erinnern sich auch an das Bild«.
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