Wahrlich: vom Feinsten
Erstaunliche Schätze: Rembrandt in Weimar
Eigentlich steht Weimar in 2011 ganz im Zeichen von Franz Liszt. Trotzdem gibt es parallel eine bemerkenswerte Ausstellung: »Rembrandt – Meisterwerke aus den Graphischen Sammlungen«. Die Schau im Gebäude des Schiller-Museums, die mit geringsten Mitteln, ohne Katalog und fast ohne Werbung auskommen muss, bietet Kunst vom Feinsten.
Die Graphischen Sammlungen der Weimarer Klassik-Stiftung gelten in Fachkreisen als wahre Schatzkammer. Hier lagern Kostbarkeiten von der Hand Albrecht Dürers über die Großen Franzosen bis zu den Niederländern. Eine Schlüsselstellung nehmen die rund 200 Radierungen von Rembrandt Harmensz van Rijn ein. Allerdings vorrangig im Depot.
Die kostspielige Aufarbeitung der Bestände in den letzten Jahren förderte eine enorme Schatzbreite zutage, die geradezu nach Öffentlichkeit verlangt. Deshalb fasste man nach Abschluss der kostspieligen wissenschaftlichen Untersuchungen, die dank der Unterstützung durch ausgewiesene Rembrandt-Kenner letzte Gewissheit brachten, den Entschluss für die aktuelle Ausstellung.
Von den 321 Radierungen des Meisters besitzt Weimar zwei Drittel. Der Spannungsbogen reicht von alt- sowie neutestamentlichen Themen über antike Inhalte, Genreszenen und Landschaften bis zu Porträts sowie Selbstporträts. Von diesem Bestand werden in der Ausstellung 71 Arbeiten gezeigt.
In einer Zeit, als die Idealisierung in Mode war, studierte Rembrandt die reale Erscheinung des Menschen. In diesem Zusammenhang fertigte er unzählige Skizzen und Selbstporträts an, um letztlich auch aus seinen eigenen Gesichtszügen die menschliche Physiognomie zu erschließen. Dazu kam das intensive Studium der italienischen Renaissance und die Inspiration durch die Dramatik bei Caravaggio sowie Peter Paul Rubens.
Großen Anteil an der Ausprägung Rembrandts hatte auch sein Lehrer Pieter Lastmann, einst ein bedeutender Historienmaler, von dem er die Fähigkeit übernahm, Figurengruppen trefflich zusammenzustellen. Dieser Lastmann-Einfluss zeigt sich in allen Radierungen mit Figurengruppen.
Geradezu exemplarisch wird das bei der Darstellung »Der Triumph des Mardochai« deutlich. Sie zeigt einen Juden, der in persischer Diaspora das Leben des Königs rettete und dafür auf königlichem Pferd, im königlichen Gewand und mit einem königlichen Triumphzug durch die Menge geehrt wurde.
Als Meisterwerke unter den Meisterwerken gelten auch das »Selbstbildnis, auf eine Steinbrüstung gelehnt«, »Die große Kreuzigung«, »Die badende Diana«, Der Alchimist«, eine Faust-Interpretation, »Die Frau mit dem Pfeil« und die Landschaft »Der Omval«. Sie geben Einblicke in subtile sowie schmerzliche Aspekte der menschlichen Verfassung, den trefflichen Umgang mit dem Hell-Dunkel-Gegensatz und eine wirkungsvolle Figurenanordnung.
Die beispiellose Sammlung von Rembrandt-Radierungen in Weimarer Besitz geht auf Ankäufe von Herzog Carl August zurück, mit fachlicher Unterstützung durch Johann Heinrich Merck, der in Frankfurt am Main als Kunstagent wirkte, und Goethe – wobei man wohl auch das 1751 in Paris veröffentlichte erste Gesamtverzeichnis der Radierungen Rembrandts berücksichtigte. Der herzogliche Kunstsammler kaufte einst hauptsächlich Originale, also Arbeiten, die von Rembrandt geschaffen und auch selbst bzw. mit seinen Originalplatten gedruckt worden waren. Das macht heute den Wert der Weimarer Sammlung aus.
Zu den 71 Rembrandt-Kostbarkeiten in der Ausstellung gesellen sich noch 79 Radierungen von Rembrandt-Schülern und späteren Nachahmern, die in des Meisters Manier wirkten. Die Reihe reicht von Georg Friedrich Hoch sowie Philipp Hieronymus Brinckmann über Johann Anton sowie Johann Heinrich Wilhelm Tischbein bis hin zu Christian Wilhelm Ernst Dietrich und Goethe aus Weimar. Allein Goethes »Landschaft mit dem Kahn« ist kurioserweise nicht in Weimarer Besitz.
Die Schau ist chronologisch geordnet. Die Bilder hängen vor rotem, dunkelgrünem, maisgelbem Hintergrund. Besucher haben nach vorheriger Anmeldung die Möglichkeit, den gesamten übrigen Rembrandt-Bestand im Sonderlesesaal einzusehen.
Rembrandt. Meisterwerke aus den Graphischen Sammlungen. Schiller-Museum, bis 8. Mai.
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