Erster Konferenztag überlaufen
Alle da beim "Left Forum" in New York: vom "Geist von Wisconsin" bis "Fox News"
Am ersten vollen Konferenztag fiel die Auswahl aus 130 Veranstaltungen schwer - nicht einmal einen Bruchteil davon kann man sich als Sterblicher zu Gemüte führen. Das „Left Forum“ lässt auf den ersten Blick ins 108-seitige (!) Programm dabei doch tatsächlich an einen linken Gemischtwarenladen denken. Das Angebot reicht von der fortschrittlichen Lesart der Bibel über „linke Bewegungen in Indien Teil 2“ bis hin zu – zum Glück in ihrer Mehrheit – Themen, die für die amerikanische Restlinke, wenn sie ihr Verschwinden in der Versenkung aufhalten will, relevant sind. Zwar sind ML-Sekten mit trotzkistischer oder maoistischer Prägung auch in den USA nicht ausgestorben. Auch die Kehrseite dieser Medaille, das „New Age“-Phänomen verschwindet nicht. Aber deren überraschend ruhige Präsenz, die nicht marktschreierisch auftritt - sie stört nicht.
Wisconsin realistisch betrachtet
Die knapp zwei Dutzend Veranstaltungen zum Thema US-Gewerkschaften waren heute so gut besucht wie noch nie auf einem „Left Forum“ oder einer ihrer Vorgängerkonferenzen. Und die Anwesenheit von Gewerkschaftern war atemberaubend. Insgesamt müssen es 300, vielleicht 400 gewesen sein, darunter Linke aus allen Sparten und Branchen. Der Grund auch hier - gerade hier! - heisst Wisconsin. Gewerkschafter aus dem Bundesstaat im Mittleren Westen, der wegen seiner Massendemonstrationen gegen Haushaltkürzungen und Tarifrechtbeschneidungen weltweit bekannt wurde, bemühten sich bei allem „Geist von Wisconsin“ um ein realistisches Bild der Lage, auch bei den Gewerkschaften. In Wisconsin sind die arbeitende Bevölkerung und die Unions entlang vieler Linien fragmentiert – Spaltungen, die während der Proteste nicht oder kaum mehr mehr sichtbar waren, soziale (etwa zwischen Arbeitslosen, prekär Beschäftigten und fest Angestellten), kulturelle (z. B. zwischen Stadt und Land), auf „race“ basierende und politische. Wer wusste schon beziehungsweise hat verdrängt, dass in Wisconsin 37 Prozent aller Haushalte, in denen mindestens ein Mitglied Teil einer Gewerkschaft ist, den neoliberalen Gewerkschaftszerstörer, den Gouverneur Scott Walker, und den rassistischen Tea-Party-Republikanern im vergangenen November per Stimmabgabe zur Mehrheit verholfen haben?
Fox bei Francis
Eine Samstags-Anekdote am Rande: der mächtige Rechtsaussen-TV-Sender „Fox News“ des Murdoch-Konzerns schickte doch tatsächlich ein Kamerateam zur Konferenz, um Francis Fox Piven zu filmen. „Kein Problem“, mussten die Left-Forum-Organisatoren dazu sagen. Denn Pressefreiheit hat Vorrang. Immerhin: das Kamerateam war ausgesprochen höflich und verliess eine Stunde, nachdem es Francis Fox Piven beim Vortrag gefilmt hatte, die Pace University wieder, ohne Aufsehen zu erregen. Der „Fox News“-Hetzer Glenn Beck ist jedenfalls auf der Suche nach weiteren verwertbaren Bildern von der 79-Jährigen, um irgendwelche Satzbausteine von ihr in ein faschistoides TV-Segment einzubauen. Und das vor Millionen und Abermillionen von Fernsehzuschauern, vor denen die bescheidene, alte Dame dann der „Zersetzung Amerikas“ angeklagt wird. Weshalb der mediale Tea-Party-Guru sich ausgerechnet die New Yorker Soziologeprofessorin zum Sündenbock auserkoren hat, darüber wird gerätselt. Über Glenn Beck gibt es allerdings auch Gutes zu berichten. Seit den Demonstrationen in Tunesien, Ägypten, Jemen...und Wisconsin ist der Zuschaueranteil an seiner Show um ein Drittel geschrumpft. Danke an einen Leser dieses Blogs für den Link zu einem wunderbaren Interview mit Francis, das man hier (www.labournet.de/internationales/usa/piven1.html) auf Deutsch nachlesen kann.
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