Kritischer Blick auf Rudolf Steiner
In diesen Tagen geht in der Hauptstadt der Anthroposophie, in Stuttgart, die große Rudolf-Steiner-Ausstellung zu Ende. Sie ist mit viel Hilfe der Steiner-Jünger gestaltet, unübersehbar apologetisch, kritische Aspekte verschämt versteckend. Dies war Anlass für die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, einen redlichen Blick auf den Begründer der Anthroposophie zu versuchen. Referent war Heiner Ullrich, Erziehungswissenschaftler aus Mainz, ein profilierter und doch stets fairer Steiner-Kenner.
1919 gründete Steiner in Stuttgart die Waldorfschule. Der Geist dieser Schule ist bis heute die Anthroposophie, jener merkwürdige Versuch, über eine Neuzusammenstellung von Elementen der Weltreligionen, Mythologien und der Astrologie eine neue Erzählung vom Menschen zu schaffen, eine Geheimwissenschaft, zugänglich den Erleuchteten. 90 Prozent der Eltern aber schicken heute ihre Kinder nicht deshalb auf die Waldorfschule, sondern weil sie staatliche Schulen vermeiden wollen. Die Lehrkräfte staatlicher Schulen machten die größte Gruppe darunter aus. Von allen Privatschulen ist der Weltanschauungscharakter der Waldorfschulen am stärksten, der Selektionscharakter dieser »Schule der oberen Mittelschicht« nicht zu leugnen und ein Schüleranteil von 40 Prozent mit privater Nachhilfe bedenklich.
Dass in der Diskussionsrunde ausgerechnet eine linientreue Trotzkistin die Zugewandtheit in anthroposophischen Krankenhäusern lobte und andere Teilnehmer die Atmosphäre und die Architektur von Waldorfschulen, eine »Sorgsamkeit in allem« (Ullrich), vor allem im Umgang mit Menschen, gab dann doch zu denken, liegt doch hier etwas, was staatlichen Einrichtungen (öffentlichem Dienst?) und Unternehmen nur zu oft fehlt. Und so bleibt der Eindruck, dass auch in anthroposophischen Einrichtungen nicht nur Schiefes, sondern auch Unabgegoltenes liegt.
Der Autor ist Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Baden-Württemberg.
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