Schnapsnase ohne Schnaps
Operation kann Hautleiden Rosacea erträglicher machen
Rötlich, verquollen und voller Pusteln prangt sie mitten im Gesicht und vermittelt eine peinliche Botschaft: Dieser Mensch säuft. Doch das blumenkohlartige Rhinophym – landläufig Schnaps- oder Knollennase genannt – kann sich auch bei jemandem entwickeln, der noch nie einen Tropfen Alkohol angerührt hat.
Zwar kann sich in der Tat kurzfristig die Nase röten, »wenn sich nach Alkohol-Genuss die Blutgefäße weit stellen«, sagt Werner Hosemann, Direktor der Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Hals-Chirurgie der Universität Greifswald. Das hat jedoch nichts mit der Knollennase zu tun, die Studien zufolge »unter Alkoholikern nicht überdurchschnittlich oft vorkommt«, wie Hosemann anmerkt. Die Nasenknolle ist in Wahrheit meist die extreme Folge einer nicht ansteckenden Hautkrankheit namens Rosacea (zu deutsch: »kleine Rosenblüten«), die auch als Kupferrose, Rosen- oder Kupferfinne bezeichnet wird. »Dabei handelt es sich um ein Leiden der Blutgefäße in der Gesichtshaut«, sagt Klaus-Michael Taube, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten des Uniklinikums Halle. »Bei Betroffenen sind die Gefäße labil und reagieren schneller und stärker als bei anderen Menschen auf verschiedenste Reize, indem sie sich erweitern – so etwa auf emotionalen Stress, ein heißes Bad oder auch den Konsum von Alkohol, Kaffee und scharfen Gewürzen.« Diese Überreaktion könne genetische Ursachen haben – ganz geklärt ist die Sache noch nicht. Typisch für Rosacea-Betroffene sei das Erröten der Gesichtshaut, wenn sie von der kalten Außenluft in ein gut gewärmtes Zimmer treten.
Das Leiden plagt leicht überwiegend Frauen, meist Menschen im vierten und fünften Lebensjahrzehnt. Es zeigt sich anfangs in Gestalt schubweise auftretender Rötungen oder roter Flecken auf Wangen oder Nasenflügeln, später auch in anderen Bereichen des Gesichts. Hellhäutige mit rötlichem Haar sind überdurchschnittlich betroffen. Zwei bis fünf Prozent der Bundesbürger kennen Rosacea aus eigenem Erleben.
Auffallend ist der nahezu symmetrische, in beiden Gesichtshälften sehr ähnliche Befall. Zunächst noch vergleichsweise wenig störend und juckend, kann sich das anfangs nur stunden- oder tagelang aufflammende Leiden mit der Zeit deutlich verschlimmern und festsetzen: Die Talgdrüsen der Haut entzünden sich, feine Äderchen werden dicker und bleiben sichtbar; hinzu kommen Bindegewebsknötchen und eitrige Pusteln. Bei etwa 60 Prozent der Patienten sind auch die Lider und die Bindehaut der Augen gerötet. Die Haut ist immer leichter reizbar; selbst starker Wind kann das Leiden manchmal hervorrufen. Weniger schlimme und damit weniger eindeutige Fälle können mitunter als Akne-Zwischenstadien verkannt werden – oder als eine von Milben ausgelöste Haarbalg-Entzündung namens Demodex-Follikulitis.
Nahezu ausschließlich bei älteren Männern kann sich irgendwann eine chronische, von Pusteln und Knötchen übersäte Knollennase (Rhinophym) bilden. Verantwortlich für sie sind Talg produzierende Drüsen in der Haut, »die an der Nase ohnehin sehr häufig vorkommen und viel Talg herstellen«, fügt Taube hinzu. Wenn diese Drüsen sich obendrein vergrößern und überaktiv werden, schwillt die Nase zur Knolle an.
Doch selbst eine immens angeschwollene Nase lasse sich weitgehend normalisieren, befindet der Mediziner Hosemann – nur dürfe der Chirurg beim Rückbilden der Nase tunlichst ihr Knorpelgewebe nicht schädigen. Heikel für den Operateur ist auch, dass die ursprüngliche Nase unter den Auswüchsen nicht mehr zu erkennen ist. »Deshalb bittet er den Patienten schon mal um alte Privatfotos oder Passbilder, auf denen die gesunde Originalnase von früher gut zu erkennen ist«, sagt der Hallenser Hautmediziner Klaus-Michael Taube.
Am Ende schneidet der Arzt die Knollennase in eine wieder ansprechende Form. Zum Einsatz kommen Skalpell, Diamantschleifer, Laser oder Elektrokauter – eine Drahtschlinge, die von elektrischem Strom durchflossen und so erhitzt wird. Dank ausreichend verbliebener Hautinselchen am Grund der entfernten Talgdrüsen überhäutet sich die Nase fast wieder so, wie sie einmal war.
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