Krank durch »Dr. Google«

Internetinformationen unterliegen erheblichen Qualitätsunterschieden

  • Katrin Zeiß, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Patienten lassen sich von »Dr. med. Google« beraten. Doch das Internet ist nach Expertenmeinung in Gesundheitsfragen nur für Menschen eine Hilfe, die sich ohnehin schon auskennen.

Patientenforen, Klinikfinder oder Arztnavigatoren im Internet helfen nach Meinung der Gesundheitswissenschaftlerin Sylvia Sänger nur ohnehin informierten Menschen bei der Orientierung. »Um sich in der Fülle der Internet-Informationen zurechtzufinden, muss man Seriöses von Unseriösem unterscheiden können«, sagte die Expertin vom Universitätsklinikum Jena in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Dies könnten die meisten Menschen nicht. »Viele denken, weil etwas im Internet steht, stimmt's.« Nur ein Bruchteil der unzähligen Gesundheits-Websites sei seriös.

Sänger leitet am Jenaer Klinikum die »Gesundheitsuniversität«, die unter anderem Vorlesungen und Kurse für medizinische Laien organisiert. Nach ihren Beobachtungen tun sich Ärzte mit der zunehmenden Nutzung von »Dr. med. Google« durch Patienten schwer. »Viele Ärzte haben regelrecht Angst vor dem informierten Patienten.« Sie argwöhnten oftmals, dass Patienten sie kontrollieren wollten. »Das ist natürlich Unfug. Internetbewertungen sind heutzutage einfach normal, es gibt sie ja auch für Hotels oder Flüge.« Statt das Internet zu verteufeln, sollten Mediziner aktiv damit umgehen. »Ärzte müssen in der Lage sein, ihren Patienten gute Seiten zu empfehlen.«

Die Wissenschaftlerin begrüßt es grundsätzlich, dass Verbraucher über das Netz an wissenschaftliche Leitlinien von medizinischen Fachgesellschaften und auch an andere Informationen, die normalerweise nur Ärzten vorbehalten sind, herankommen können. Ziel sei dabei nicht vordergründig das Verständnis hochfachlicher Details. »Aber Patienten können Ärzte informiert fragen – und genau darum geht es.«

Wer Informationen unkritisch und unbewertet aufnehme, für den berge das Netz Gefahren statt Orientierung, warnte sie. Dies sei etwa bei unseriösen Heilsversprechen und fragwürdigen Therapien der Fall. Auch Internetseiten und -foren zur Patientenselbsthilfe sieht die Expertin zwiespältig: »Es ist natürlich vorteilhaft, wenn Ratsuchende nicht erst irgendwo hingehen müssen, sondern anonym von den Erfahrungen ebenfalls Betroffener profitieren können. Andererseits wissen sie nie, mit wem sie sich da gerade über hochsensible Dinge unterhalten.«

Vorsicht sei vor allem geboten, wenn in Foren persönliche Daten wie Mail-Adressen, Telefonnummern oder Krankengeschichten abgefragt würden. Immer wieder gebe es auch Hinweise, dass Patientenforen von Dritten abgeschöpft würden. »Da sind zum Beispiel oft Pharma-U-Boote drin.« Viele Menschen würden zudem erst durch die ungefilterten Informationen und Berichte anderer Menschen krank. »Wir haben mittlerweile das Krankheitsbild Cyberconder«, sagte Sänger. Dabei entdeckten Menschen via Internet vermeintliche Symptome an sich und versuchten diese in Selbstdiagnosen zu deuten.

Auch bei den im Netz kursierenden Ärzte- und Kliniknavigatoren sieht die Gesundheitswissenschaftlerin erhebliche Qualitätsunterschiede. Dort klicken sich nach ihrer Beobachtung häufig Menschen ein, die mit einer Behandlung entweder sehr zufrieden oder absolut unzufrieden seien. »Das Problem ist, dass Verbraucher die Qualität der ärztlichen Behandlung letztlich nicht einschätzen können.« Die Aussagekraft hänge zudem von der Zahl der Bewertungen ab. Am tauglichsten seien Internet-Arzt- und Klinikfinder von Krankenkassen. »Diese fragen strukturiert und beziehen auch Qualitätsberichte von Kliniken ein, da kommt eine große Anzahl von Bewertungen zusammen.«

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