Castorf!
Frank Castorf wird, nach glaubhaften Gerüchten, 2013 in Bayreuth den »Ring« inszenieren. Es wird noch verhandelt, noch ein Team gesucht. Wir schauen auf die Fluchtwege, sehen Lars von Trier und Wim Wenders, wie sie das Weite suchten vor diesem gigantischen Auftrag.
Kaum fiel der Name des Volksbühnen-Chefs, zitterte der fränkische Lodenmob, und die Gralshüter der »Werktreue« schütteln die Reinheitsgebotsköpfe. Castorf nun aber furchterregt unter jene zu reihen, die nach dem Stempel der medialen Blödmaschine »Regietheater« und also rasch abwischbare Theatermode betreiben, das ist eine arg minderbemittelte Argumentation. Man mag nicht mögen, was er tut, aber er hat eine anarcho-schmutzige wie zart-zynische Bühnen-Ästhetik erfunden, dazu ein rabiat-selbstbewusstes Schauspieler-Theater und einen rücksichtslos fragenbestimmten Textclinch. Er ist kein Nachfolger, sondern ein Vor-Gänger. Er ist nicht Wirkung, sondern eine Ursache. Er hat östliches Gemüt so ausgedrückt, dass Weltgefühl spürbar wurde.
Wenn man als neuzeitliche Errungenschaft der Oper auch weiterhin bezeichnet, dass sie Musik-Theater ist, dann gilt auch fürderhin: Theater ist ein hemmungslos fantasierendes Erzählen, bei dem Text (Ton) und Bilder immer wieder unausgeschöpfbare, unvorhersehbare Bindungen und Konflikte eingehen. Castorf ist dafür Spezialist. Klassiker. Und Bayreuth zeigt Mut, Klassik als das zu definieren, was sie ist: nicht das gesichert Abgestandene, sondern das risikoreich Unsichere.
Hans-Dieter Schütt
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