Sowohl Hau-Ruck als auch Ruckzuck

Die Regierung ist uneinig über den Umgang mit der Krise. LINKE kritisiert übereiltes Handeln

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.
Die CDU ist uneins über Wege aus der Schuldenkrise. Der Bundestagspräsident kritisiert indes das Übergehen des Parlaments.

Ein »Rettungspaket« folgt auf das andere. Der »Euro-Rettungsschirm« soll fortwährend um viele Milliarden Euro »erweitert« oder »aufgestockt« werden, damit Staatsbankrotte vermieden werden und die Stabilität des Euro gewährleistet bleibt. Die Kopflosigkeit und Hektik, mit der dies zumeist geschieht, deutet darauf hin, dass die finanzpolitische Krise größer sein dürfte als zugegeben.

Nicht nur innerhalb der CDU/FDP-Koalition, auch in der CDU-Fraktion geht es gegenwärtig drunter und drüber, was die Einschätzung des richtigen politischen Vorgehens angeht. Obendrein gibt es Einwände anderer Art. So funkte etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nicht zum ersten mal dazwischen, als er kürzlich mehr Zeit forderte für wichtige Entscheidungsfindungen. Es mangele an der »notwendigen Sorgfalt«, die dem Thema Euro-Rettung gebühre, sagte er. Überdies gelte es, die Rechte des Parlaments zu wahren. Der Bundestag habe das Recht, über europapolitische Initiativen der Regierung »rechtzeitig und umfassend vorab unterrichtet« zu werden.

Die Linkspartei sieht sich von Lammert in ihrer Kritik am parlamentarischen Vorgehen der Bundesregierung bestätigt. Bei der Entscheidung über den sogenannten Rettungsschirm dürfe es kein verkürztes Verfahren geben, sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch. Allerdings hat die LINKE auch inhaltliche Kritik am Vorgehen der Regierungskoalition. Die Bundeskanzlerin lasse sich von der FDP erpressen, wenn sie die Einführung von Eurobonds ablehne. »Wenn Angela Merkel den Euro retten will, muss sie sich von der FDP trennen«, meinte Lötzsch.

Auch Dagmar Enkelmann, die parlamentarische Geschäftsführerin der Linkspartei, warnte vor einem überstürzten »Hau-Ruck-Verfahren« bei den Beratungen zur Euro-Krise und sagte, ihre Partei wolle »die sozialen Fragen ins Zentrum der Debatte rücken – steigende Befürchtungen vor Inflation, Wirtschaftsabschwung und Spardiktaten«. Darüber hinaus behalte man sich eine Verfassungsklage gegen die zum »Euro-Rettungsschirm« geplanten Regelungen vor.

In der CDU wurde am Montag eine innerparteiliche Kommission eingesetzt, die finanzpolitische Einigkeit herstellen soll. Ein Sonderparteitag zum Thema aber wird derzeit von der Parteiführung noch abgelehnt. Gestern abend rief nun die CDU-Fraktion zu einer Sondersitzung, in der es um die Schuldenkrise im Euro-Raum und weitere Maßnahmen zu ihrer wirkungsvollen Bekämpfung gehen sollte. Was der angemessene Umgang mit der Krise ist, blieb in der Regierungskoalition weiter umstritten. Einige befürchten eine Vergemeinschaftung der Schulden verschuldeter Euro-Länder zulasten der deutschen Steuerzahler. Käme es doch zu gemeinsamen Anleihen der Euro-Länder, sogenannten Eurobonds, befürchten Politiker der CDU und der FDP steigende Zinsen und eine wachsende Haushaltsbelastung für Deutschland.

Umstritten sind jedoch nicht allein die Krisenbekämpfungsversuche der Bundesregierung. Kritik wird von nicht wenigen Abgeordneten vor allem an einer allzu eilfertigen Kanzlerin geübt, der vorgeworfen wird, bei ihrem oft hektischen und undurchschaubaren Handeln stets nur die vermeintliche Dringlichkeit im Blick zu haben und in so entscheidenden Fragen wie der Stabilität des europäischen Währungssystems oft nicht ausreichend das Parlament zu konsultieren.

Dagmar Enkelmann mahnt an, der Bundestag müsse sich »grundlegend über seine Beteiligung« an wichtigen Entscheidungen verständigen: »Wenn Anhörungen von Sachverständigen nur noch pro Forma stattfinden, wenn Zeit und Termindruck ein gebotenes Abwägen unmöglich machen und letztlich nur die Koalitionsräson zählt, beschädigt das die Demokratie.« Kommentar Seite 8

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!