Diese Waffe trifft vor allem Zivilisten

Staatenkonferenz in Beirut berät über die Umsetzung und Zukunft des Abkommens gegen Streubomben

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit Veranstaltungen weltweit hatte die »Internationale Kampagne gegen Streumunition« am 1. August den ersten Jahrestag des Verbots dieser Waffen gewürdigt. Nun sollen in Beirut die Weichen für weitere Fortschritte gestellt werden.
Zur Vernichtung im Spreewerk Lübben (Dahme-Spreewald) vorbereitete Streumunition
Zur Vernichtung im Spreewerk Lübben (Dahme-Spreewald) vorbereitete Streumunition

Bisher haben 109 Staaten die Konvention über die Ächtung von Streumunition unterschrieben, für 61 von ihnen ist sie nach der Ratifizierung auch rechtsgültig. Wichtige Staaten fehlen bisher jedoch. Dazu gehören die drei größten Streubombenproduzenten USA, Russland, China sowie Israel, Indien, Libyen, Pakistan und Südkorea. Dort halten die Militärs derartige Munition nach wie vor für »unverzichtbar«, obwohl ihr immer wieder Zivilisten zum Opfer fallen.

Der in Oslo im Dezember 2008 unterzeichnete Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten, Streumunition nicht einzusetzen, zu entwickeln, zu produzieren, anzuschaffen, weiterzugeben oder zu lagern. Sämtliche vorhandenen Bestände müssen innerhalb von acht Jahren zerstört werden. Weitgehende Bestimmungen regeln Räumpflichten, Unterstützung der betroffenen Länder und die Opferhilfe – so die medizinische Versorgung, Rehabilitation, finanzielle, soziale und psychologische Unterstützung der Leidtragenden.

Es sei beeindruckend, was im ersten Jahr des Streumunitionsvertrages erreicht wurde, sagt die Direktorin der Kampagne gegen Streumunition, Laura Cheeseman. »Waffenvorräte werden vernichtet, verseuchtes Land wird gesäubert und dadurch verhindert, dass Tausende weitere Opfer ihr Leben durch diese Waffen verlieren.« Fast 600 000 Streubomben mit über 64 Millionen Submunition wurden vernichtet, elf Staaten haben ihre Waffenvorräte vollständig vernichtet. Albanien und Sambia konnten ihr Territorium als erste komplett von Streumunition befreien.

Trotz des Verbots wird Streumunition aber immer wieder eingesetzt. Libysche Regierungstruppen haben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Frühjahr Mörsergranaten mit Streumunition gegen Aufständische und Wohngebiete verschossen. In jüngster Vergangenheit sollen Israel Streumunition bei Angriffen auf den Gazastreifen sowie Russland und Georgien im Kaukasus-Konflikt eingesetzt haben. Israel warf bereits im Libanon-Krieg von 2006 massenhaft Streubomben ab. Thailand gab zu, Anfang des Jahres im Grenzkonflikt mit Kambodscha Streubomben abgeworfen zu haben. Auch die NATO und die USA setzten Streubomben und -granaten ein, in Ex-Jugoslawien ebenso wie in Afghanistan und im Irak-Krieg.

Unter dem Motto »Von der Vision zur Aktion!« fand im November in der laotischen Hauptstadt Vientiane die erste Konferenz über die Verwirklichung des Oslo-Vertrages statt und verabschiedete einen 66-Punkte-Aktionsplan. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, innerhalb der folgenden zwölf Monate mit den Vorbereitungen zur Vernichtung ihrer Bestände an Streubomben zu beginnen. Pläne zur Identifizierung und zur Räumung aller nicht explodierten Streumunition sollen erarbeitet und ein Hilfspaket für die Opfer von Streubomben geschnürt werden.

Wie Libanon gehört auch Laos zu den von Streubomben am stärksten betroffenen Ländern. Die Verseuchung weiter Landstriche mit nicht explodierter Munition behindert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Staaten empfindlich. Durch den in Vientiane beschlossenen Aktionsplan konnte sie immerhin beschleunigt werden. Deutschland hat Räumaktionen in Laos seit 1996 mit knapp elf Millionen Euro unterstützt. Mit zusätzlichen 740 000 Euro wird die Arbeit der deutschen Hilfsorganisation SODI, die in der zentrallaotischen Provinz Bolikhamxay ein integriertes Streubombenräumungs- und Entwicklungshilfeprojekt realisiert, unterstützt.

Kritische Reaktionen ruft andererseits das massive Investment deutscher Banken und Versicherungen in Streumunition hervor. Recherchen der Kampagne »Facing Finance – Finanzmärkte im Visier« ergaben, dass sie mit mindestens 1,3 Milliarden Euro an Produzentenfirmen beteiligt sind. In der Oslo-Konvention verpflichten sich die Staaten jedoch, niemanden bei verbotenen Aktivitäten zu unterstützen. Nichtregierungsorganisationen fordern deshalb auch in Deutschland ein gesetzliches Investmentverbot, das es in anderen Ländern wie Belgien, Luxemburg, Irland und Neuseeland bereits gibt.

Streumunition

besteht aus Hunderten oder Tausenden kleiner Sprengkörper. Sie wird von Flugzeugen abgeworfen, kann aber auch mit Raketen oder Geschützen verschossen werden. Die mit Submunition gefüllten Mantelprojektile öffnen sich noch in der Luft und verbreiten bis zu 200 »Bomblets«, deren Füllung wiederum aus Splittergeschossen oder Minen bestehen kann. Manche explodieren beim Aufprall auf gegnerische Panzer, Fahrzeuge oder auf den Erdboden, oft jedoch bleibt das durch Vegetation oder den Untergrund aus. So werden innerhalb kurzer Zeit enorme Mengen an Munition über Flächen, die sich bis zu mehreren hundert Hektar erstrecken können, verteilt. Mindestens 32 Länder und Regionen sind verseucht. Bei einer Blindgängerquote von bis zu 40 Prozent verwandelt sich Cluster-Munition oft zu Landminen, die willkürlich töten oder verstümmeln. Über 100 000 Opfer hat Streumunition bisher gefordert. 98 Prozent der registrierten Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung, 27 Prozent davon sind Kinder. WK

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