Intendant gesucht

Leipzig: Hartmann

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Häufiger als Manager wechseln Fußball-Bundesligatrainer den Verein. Theaterintendanten sind keinesfalls träger.

Leipzigs Schauspiel-Intendant Sebastian Hartmann (Foto: dpa) gibt auf. Er wird seinen Vertrag nicht über 2012/13 verlängern. Seit 2007 arbeitet der 1968 Geborene als Theaterchef in seiner Heimatstadt. Es heißt offiziell, es stehe mit der Stadtverwaltung kein Einvernehmen »über grundlegende Notwendigkeiten für die zukünftige betriebswirtschaftliche und künstlerische Handlungsfähigkeit des Eigenbetriebes in Aussicht«. So hochbürokratisch durchzwirbelt formuliert man, wenn man ein grässliches Knirschen übertönen will, aber doch im Grunde weiß, dass es nicht zu übertönen ist. Man sucht also nach Worten, die nicht ganz die Wahrheit sagen, ohne jedoch gleich als Lüge zu gelten.

Fünf Jahre Intendanz. Das ist in heutigen Zeiten, da das Kaderkarussell gewöhnlich auf Rasantfahrt steht, fast schon eine Ewigkeit. Dennoch bitter, dass die Zeit, um wirklich etwas aufzubauen, um also aus Grundierungen einen soliden Bestand werden zu lassen, kaum, kaum noch Chance und Würde im Betriebssystem hat. Die Gesichter wechseln, ehe sie welche werden können. Jung und Alt durchmischen sich, als sei man unsicher miteinander. Mobilitätsgabe und Flexibilitätsnot durchjagen die Kunstausübung und halten sie in einem ungesunden Zittern.

Beim Einriss des Alten geht zunächst alles rasch, das ist an jedem Intendantenwechsel zu studieren: neue Leute, neues Marketing, bei Hartmann sogar: Umbenennung der Spielstätten, dann deren Ausweitung und dann noch Übermengen an Inszenierungen. Exzessiv geht vor intensiv. So aber sickert Bühnenkunst kaum ins Bewusstsein einer Stadt, ins Unterbewusstsein, ins Daseinsgefühl schon gar nicht.

Und so entstehen missliebige Spannungen zwischen künstlerischem, organisatorischem Neuerergeist und traditionsbewusstem Stadtheater (und dessen Publikum). Heute zeigt Bürgertum sein Interesse am Theater häufig, indem es wegbleibt. Man muss dieses Publikum verstören, man darf es nicht vertreiben. Avantgardismus ist stets nur eine einzige Facette; der Zustrom an jüngeren Zuschauern hat Grenzen.

Wurzeln schlagen, das ist schwere Arbeit, wenn man mehr will, als alles nur anders zu machen. Es gibt für alles eine Ökonomie, auch für die Ausbalancierung von Bedürfnissen – auf der Bühne und im Saal. Castorfs Volksbühne oder Ostermeiers Schaubühne in Berlin sind als Sauriere des Aufbrechenden, Brüchigen, Nonkonformistischen nur denkbar durch andere Theater der Stadt – einer jeweils der Platzhalter des nächsten. Leipzig aber ist nicht Berlin. Ein Schauspiel für alle und alles. Da besonders muss Intendanz mehr als ein Zwischenstadium sein – ein Posten für Aushaltkräftige (was natürlich für andere Städte nicht weniger gilt!).

Hartmann scheiterte; das anklagende Wort vom Sparzwang, dem er sich nicht beugen könne, klingt wie ein Charakterrettungsversuch. Er ist es auch. Aber: wahrscheinlich mit einigen Abstrichen an Glaubwürdigkeit.

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