Frecher Stift statt Akten am Wochenende
Richter TIM OLIVER FEICKE gehört einem drögem Berufsstand an, hört schlimme Sachen, muss aber dennoch oft lachen
Seit er denken kann, liebt der Elmshorner Jugendrichter Tim Oliver Feicke Comics. Mit Asterix und Obelix lernte er lesen. Bald zeichnete er erste Cartoons selbst. Inzwischen nimmt der 40-Jährige mit spitzer Feder auch den Gerichtsalltag aufs Korn. »Wir sind ja so ein trockener Haufen«, sagt Feicke. »Aber manche Sachen sind so komisch, da muss man einfach lachen.«
Deswegen sammelt der Vater von vier Kindern auch kuriose Fälle, Stilblüten und lustige Verschreiber aus den Justizakten und zeichnet für eine Reihe juristischer Fachblätter. Während seine Familie und Freunde bei seinen Bilderwitzen aus den Gerichtssälen oft Erklärungsbedarf haben, können sich andere Richter und Staatsanwälte oft ausschütten vor Lachen.
»Es sind Insider- und Branchenwitze«, sagt Feicke, »wie bei den Medizinern, aber nicht so böse.«
Dass die Kunst des Hamburgers ankommt, zeigen Nachfragen aus ganz Deutschland. Feicke hat im Selbstverlag das Buch »Komme nicht zum Termin, bin in Südsee: Aktenperlen aus der Justiz« herausgegeben. Ein zweites »Habt ihr nichts besseres zu tun?« ist in Arbeit. Seine Karikaturen finden sich in Fachzeitschriften von Richtern, Notaren, Rechtsanwalts- und Notar-Fachangestellten.
Feickes etwa DIN-A4-großen Justizcartoons hängen in den Fluren des Elmshorner Amtsgerichts. »Das ganze Haus ist wie eine Galerie», freut sich Justizhauptwachtmeister Peter Bunkrad. Feickes Karikaturen waren auch schon im Hamburger Haus der Gerichte und im Justizzentrum von Stendal zu sehen. Weitere Ausstellungen sind geplant.
Eines seiner Lieblingscartoons ist »Neue Jobs in der Justiz – Dolmetscher für Jugendsprache« untertitelt. Da will ein Richter von einem Jugendlichen wissen, was er denn so in der Freizeit macht. Weil der nicht versteht, wird übersetzt: »Yo, Digga, der Top-Master will von Dir wissen, wo du und die Homies korrekt chillen ...«
Wie unverständlich Juristensprache sein kann, erlebt der Richter täglich. Wirft der Staatsanwalt einem Jugendlichen vor, der habe »eine fremde bewegliche Sache in rechtswidriger Zueignungsabsicht weggenommen ...«, dann übersetzt Feicke schon mal selbst: »Stimmt es, dass Sie bei Aldi geklaut haben?« Bei ihm landet jeder 14- bis 21-Jährige, der in Elmshorn straffällig wird. Feicke urteilt aber nicht nur. Er engagiert sich auch ehrenamtlich in der Bewährungshilfe.
Der 40-Jährige zeichnet zumeist an Wochenenden. Sein Hobby hat er längst als Nebentätigkeit angemeldet, wie er betont. Denn Feicke zeichnet auch auf Bestellung. Die Auftraggeber dürfen aber mit seinem Richteramt nichts zu tun haben, um die Gefahr möglicher Befangenheit zu vermeiden.
Sein Hobby sieht der Jugendrichter auch als Gegengewicht zu seinem Beruf: »Als Richter sehen wir oft ganz finstere Seiten. Das nimmt mit.« Wie sehr zeigt vielleicht auch der Kontrast seines jungenhaften verschmitzten Lächelns zu seinem Haarschopf. Der ist seit dem ersten Staatsexamen frühzeitig ergraut. dpa
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