Bob Geldof 60
Das Problem
John Lennons »Revolution«, ja, auch Renfts Ketten, die knapper werden sollten, Friedenslieder von Karat oder den Puhdys: Rock und Pop sind Gefühlsverstärker, die für melodische Momente die Hoffnung schüren,Widerstand sei noch immer eine große Bewegung. Aber Tausende gezündete Lichter, die im Takt eines Songs geschwenkt werden, sind noch lange nicht das Licht der Aufklärung. Immerhin: Sie stärken das Regime der Einbildungskraft, es sei so.
Grönemeyer, Bono, Geldof und andere sind ehrenwerte Romantiker einer ethischen Wunschdynamik: Demokratieschübe kämen von der Selbstreinigungsfähigkeit des Systems – bestens Verdienende ändern ihre Politik, indem sie sich von bestens Verdienenden ins Gewissen singen lassen? Massenkultur als letzte Chance für Weltenwenden? Es war einst Claudia Schiffer, die in einem TV-Werbespot für das Berliner Holocaust-Denkmal warb. Die Milderung des Elends bedarf der Gala-Gesichter; eine Aktion gegen den sozialen Tod und andere Massaker benötigt den größten Komiker. So, wie »Brot für die Welt« die fröhlichsten Herzbuben in Gebrauch nehmen muss. Wir werden tatenlos zusehen, wie Afrika stirbt, wenn nicht endlich Dirk Bach aktiv wird. Protest gegen horrenden Reichtum ist nur zu bannen, wenn uns Günther Jauch erklärt, dass nicht jeder Millionär werden kann. Und Martin Walser wäre vor Jahren viel erspart geblieben, wenn er seine umtobte Rede in der Paulskirche von Thomas Gottschalk hätte vorlesen lassen.
Popstars gegen die Ungerechtigkeit – sie schaffen eine tröstende Dissonanz zu Konformsphärem, ihr Protest bewahrt zugleich den guten Ton. Das Rebellische, das Schuldigen wehtun soll, und ein Unterhaltungsbetrieb, der doch nichts bewirken wird – in diesem Spannungsfeld fühlt sich das Herz aller Kritiker schmerzlich zerrissen. Auch der Zorn muss sich einrichten zwischen Massenmedien und Medienmassen.
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