Chinas Schwarzmarkt-Finanzkrise

Probleme von Schattenbanken drohen, die staatlichen Kreditinstitute zu infizieren

Auch in China schwelt eine Schuldenkrise, die durch den Schattenbankensektor jetzt noch verstärkt wird.

Chinas Finanzsystem gilt als Hort der Stabilität: Strenge Regeln und staatliche Kontrollen sollen Spekulationsblasen und Krisen wie im Euroraum verhindern. Doch im Reich der Mitte existiert ein Schwarzmarkt, der unreguliert und offenbar mit Duldung lokaler Behörden arbeitet: In den Indus-triezentren am Jangtse- und am Perlflussdelta haben Schattenbanken die Kreditversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen übernommen, da diese von den staatlichen Großbanken kaum Darlehen erhalten. Die Bedienung der Kredite war für die exportorientierten Hersteller von Schuhen, Ledertaschen oder Feuerzeugen trotz der verlangten hohen Zinsen solange kein Problem, wie die Geschäfte boomten. Mit der spürbaren wirtschaftlichen Abschwächung hat sich dies geändert. Jetzt schwappt eine Pleitewelle durch die Region - mehr als 100 Unternehmensbesitzer sollen vor ihren Gläubigern geflohen sein, einige begingen Selbstmord, berichtete kürzlich die »South China Morning Post«. Auch seien zahlreiche Schattenbanken kollabiert und könnten ihre Kunden nicht mehr auszahlen.

Professor Li Jianjun von der Zentraluniversität für Finanzen und Wirtschaft in Peking beziffert die in diesem Sektor zirkulierenden Summen auf umgerechnet gut 90 Milliarden Euro. Andere Schätzungen gehen darüber hinaus. Auch die politische Führung nimmt das Problem ernst: Premier Wen Jiabao versprach bei einem Besuch in der besonders betroffenen Millionenstadt Wenzhou (Provinz Zhejiang) Kredite und Steuersenkungen für die KMU sowie ein hartes Vorgehen gegen Kredithaie.

Der Vorgang stellt für das Finanzsystem insgesamt ein Problem dar. Die Geldverleiher haben sich im legalen Bankensektor mit Liquidität versorgt, der nun selbst infiziert zu werden droht. Dies kommt zur Unzeit, denn die mehrheitlich dem Staat gehörenden Geldhäuser kämpfen mit einem Berg fauler Kredite, einer zu platzen drohenden Immobilienblase in den Boomtowns und Finanzproblemen bei ihnen verschuldeter lokaler Regierungen. Die vier großen Industriezentren sollen, wurde am Donnerstag angekündigt, erstmals seit 27 Jahren die Möglichkeit erhalten, Anleihen auszugeben.

Die Probleme sind eine Folge der Maßnahmen gegen die Weltwirtschaftskrise 2009 - ähnlich wie EU-Staaten und die USA hatte China ein massives Konjunkturprogramm gestartet, um das Wachstum anzufeuern. Dazu gehörte auch eine Lockerung der Kreditkonditionen. Längst hat die Führung vor allem wegen der hohen Inflation die geldpolitischen Zügel wieder gestrafft, was eben das Wachstum bremst.

Auch Chinas Großbanken kämpfen längst mit einem massiven Vertrauensverlust. Der Wert ihrer Aktien sank im letzten halben Jahr um 41 Prozent und damit stärker als bei der europäischen Konkurrenz. Wie in der EU greift auch in China der Staat den Finanzriesen unter die Arme - mit milliardenschweren Aktienkäufen durch den Staatsfonds CIC.


Lexikon

Unter faulen Krediten versteht man Darlehen, bei denen der Schuldner mit den vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen in Verzug ist. Da eine Bank eine sehr große Anzahl von Krediten vergibt, gibt es ständig solche Problemkredite. Um die Ausfälle zu verkraften, muss das Geldhaus Vorsorge treffen. Nach den bisher gültigen Basel-II-Regelungen sind Kredite zu durchschnittlich acht Prozent mit Eigenkapital zu unterlegen. nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.