Neustart im Bayernwald

Michael Adam ist 26, schwul und bei der SPD - und nun Deutschlands jüngster Landrat

  • Christine Cornelius, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Der niederbayerische Landkreis Regen hat am Sonntag einen 26 Jahre alten Sozialdemokraten zum Landrat gewählt. Michael Adams Anhänger feiern ihn euphorisch. Sie wollen einen Neuanfang.

Regen. Als das Wahlergebnis auf der großen Leinwand im Regener Landratsamt erscheint, reißt Michael Adam (SPD) die Arme in die Luft. Es ist ein weiterer Schritt nach oben in der beispiellosen SPD-Karriere des 26 Jahre alten Kommunalpolitikers.

Adam ist der neue Landrat im niederbayerischen Landkreis Regen - am Sonntag bekam er 57,3 Prozent der Stimmen. Rotwangig springt er auf einen der Tische, seine Fans bejubeln ihn wie einen Popstar. »So sehen Sieger aus«, rufen sie immer wieder. Viele von ihnen tragen rote T-Shirts mit der Aufschrift »Wir können Landrat«.

»Der Landkreis hat einen Wechsel gewählt«, sagt Adam, der seit 2008 Bürgermeister von Bodenmais ist. Damals galt er als jüngster Bürgermeister Deutschlands, noch dazu evangelisch und offen schwul. Attribute, die den jungen Sozialdemokraten nicht gerade zum typischen Wahlsieger im katholisch-ländlichen Freistaat machen. Jetzt kann er sich auch noch Bayerns jüngster Landrat nennen - der Einschätzung des Deutschen Landkreistages zufolge gibt es sogar bundesweit keinen jüngeren. »Ich habe mich mit solchen Titeln nie geschmückt«, sagt Adam. Er habe sie immer eher als Belastung empfunden - schließlich brächten sie auch viele Erwartungen mit sich.

Zur Verkündung des Wahlergebnisses kommt er im schwarzen Anzug und bewusst mit blauer - und nicht roter - Krawatte. »Ich habe zwar einen sozialdemokratischen Kompass, aber ich halte mich nicht an den Dresscode«, sagt Adam.

CSU-Kandidat enttäuscht

Immer wieder kommen Bürger und Kommunalpolitiker auf Adam zu und beglückwünschen ihn. Händeschütteln, Umarmungen, Interviews - bei aller Freude wirkt der neue Landrat mitunter leicht angespannt. Vom Landratsamt geht es weiter zum Feiern nach Bodenmais.

Sein Herausforderer Helmut Plenk (CSU) wirkt am Sonntag sichtlich niedergeschlagen - er bekam 42,7 Prozent. Er sei enttäuscht von den Wählern, sagt er. »Wir haben gehofft und gekämpft.« Die Wahl war nach dem Selbstmord des langjährigen Landrats Heinz Wölfl (CSU) notwendig geworden. Der hoch verschuldete Kommunalpolitiker fuhr im August gegen einen Baum und starb. Die bislang unbestätigten Korruptionsvorwürfe gegen ihn sind sicher einer der Gründe, warum sich diesmal viele Wähler von der CSU abwandten.

Für Adams Anhänger im Landratsamt bedeutet der Sieg einen kompletten Neuanfang. »Der alte Zopf wird abgeschnitten«, sagt Wählerin Kerstin Biebl-Steenbock. »Ehrlichkeit siegt zum Schluss immer.« Eine 42-Jährige erzählt, sie habe Adam ihre Stimme gegeben, weil er jung und spontan sei - und eine andere Politik mache als die anderen. Adams Politik-Karriere verlief rasant. 2004 trat er in die SPD ein und übernahm schnell leitende Funktionen, zunächst bei den Jusos. 2008 wurde Adam mit 23 Jahren überraschend zum Bürgermeister in Bodenmais gewählt: Er löste den seit 18 Jahren amtierenden CSU-Rathauschef in dem 3400 Seelen großen Urlaubsort im Bayerischen Wald ab. Seit Anfang 2011 ist der Überflieger zudem Vorsitzender des SPD-Bezirks Niederbayern.

Adam sagt von sich, er sei ehrgeizig, offen im Umgang, gradlinig und nah dran an der Bevölkerung. Wenn der eine oder andere ihn wegen seines Alters einmal skeptisch anschaue, verweise er auf seine Erfolge in Bodenmais. Auslöser für sein politisches Engagement waren Adams Erfahrungen als Schüler: Das bayerische Schulsystem habe er als sehr unsozial empfunden.

Mindestens zehn Jahre

In Bodenmais lebt Adam mit seinem Freund zusammen. Eine Ikone der Schwulenbewegung will er aber nicht sein. Mindestens zehn bis zwölf Jahre wolle er Landrat bleiben, hatte er vor der Wahl gesagt. Und danach? Vielleicht werde er sein abgebrochenes Politik- und VWL-Studium beenden.

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