Der neue Kolumbus

»Und dann der Regen - También la lluvia« von Icíar Bollaín

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 3 Min.

Zieht ein Filmemacher los, um einen politisch korrekten Film gegen die Unterjochung der indigenen Völker Lateinamerikas durch Kolumbus, die spanische Krone und die Kirche zu machen. Vor Ort, mit modernen Indios, die die Indios von damals spielen. Nur leider nicht mit den Taino in den Nachfolgestaaten des historischen Hispaniola, Haiti und der Dominikanischen Republik, sondern mit Quechua. Denn Bolivien ist der billigere Drehort und der Produzent des Films achtet sehr auf die Kosten. Gegenüber heimischen Geldgebern prahlt der sogar damit, dass in Cochabamba jeder Indio froh und glücklich sei über die zwei Dollar am Tag, die er als Statist beim Film bezahlt bekommt.

Es ist das Äquivalent von Glasperlen für die Eingeborenen, was die Filmcrew den Statisten zu zahlen bereit ist. Aber die stehen trotzdem stundenlang Schlange vor dem Besetzungsbüro. Wenn einer umgerechnet 70 Dollar im Monat verdient, sind ein Zugewinn von vier, fünf Drehtagen inklusive voller Verpflegung auch bei solch eklatanter Unterbezahlung ein gutes Zubrot. Wer 70 Dollar im Monat verdient, kann erst recht nicht 20 davon in sauberes Trinkwasser investieren. Weil aber die bolivianische Regierung just dieses Trinkwasser gegen satte Gewinnbeteiligung an einen global agierenden Konzern mit Sitz in den USA verkaufte - hier verschmilzt die fiktive Filmhandlung mit der historischen Wirklichkeit -, kommt es in Cochabamba im Jahr 2000 zu einem Aufstand gegen die Regierungspolitik.

Die Proteste kommen den Filmemachern ungelegen, weil sie die Dreharbeiten stören - wie stark die Parallelen sind zwischen Damals und Heute, sehen sie lange nicht. Gerade der Gutmensch Sebastián (Gael García Bernal), der Filmemacher, nimmt viel zu lange seinen Film viel ernster als die gegenwärtige Gefährdung der finanziell mit dem Rücken an der Wand stehenden Bevölkerung. Weil er doch mit dem Film der ganzen Welt vor Augen führen möchte, wie raffgierig und heimtückisch, wie ganz und gar nicht der christlichen Morallehre konform die Abgesandten Spaniens und der Kirche sich in den eroberten Gebieten verhielten, von ein paar löblichen, heute weitgehend vergessenen Ausnahmen wie Bartolomé de las Casas und Antonio de Montesinos abgesehen.

Daniel (Juan Carlos Aduviri), Hauptdarsteller auf Indio-Seite, spielt im Film den Anführer des indigenen Widerstandes gegen Kolumbus - wofür Hatuey gekreuzigt und bei lebendigem Leib verbrannt wird. Dass Daniel sich auch bei dem, was als der Cochabamba-Wasserkrieg berühmt wurde, auf die Seite der Widerständler schlägt, ist für Sebastián nichts als ein Ärgernis. Wie soll er seinen Film drehen, wenn ein Hauptdarsteller im Gefängnis sitzt? Die Zeitebenen entwickeln Parallelen, aus der weißen Filmcrew, die der dunkelhäutigen Urbevölkerung Arbeit gab, indem sie das Leiden ihrer Vorväter für die Weltöffentlichkeit nachinszeniert, wird mehr und mehr Teil des kolonialen Problems. Ein US-Konzern, der das Wasser für sich reklamiert, und ein weißes Filmteam, das - mit natürlich allerbester Absicht - seine indigenen Statisten ausbeutet: der Unterschied liegt nurmehr in der Größenordnung.

Drehbuchautor Paul Laverty ist nicht nur der Lebensgefährte der spanischen Regisseurin Icíar Bollaín, sondern auch der langjährige Drehbuchautor von Ken Loach. Und der US-Historiker Howard Zinn, dem sie »Und dann der Regen« widmeten, gehörte zur Speerspitze einer alternativen Geschichtsschreibung, die Geschichte von der Basis aus zu schreiben bemüht ist.

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